Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
gründlich.«
    Nachdem alles Praktische erledigt war, konnte Caleb den Gedanken an Romy nicht mehr ausweichen. In den Wochen seit dem Zusammenstoß mit Johnnie Fitzgerald hatte sich immer deutlicher gezeigt, daß er sich eine Menge vorgemacht hatte. Er möge Romy als Menschen, hatte er sich eingeredet. Er möge sie, weil sie intelligent, temperamentvoll und großzügig war, weil es Spaß machte, mit ihr zusammenzusein, und weil sie keine von den Frauen war, die ständig mit ihrer Garderobe beschäftigt waren oder hysterisch wurden, wenn ihre Haare einmal ein paar Tropfen abbekamen. Und weil sie das Leben beim Schopf packte. Sie hatte mit nichts angefangen und etwas aus sich gemacht. Sie hatte keine leichte Kindheit gehabt, aber während andere in ihrer Familie mit den Ereignissen der Vergangenheit nicht fertig geworden waren, hatte sie sich nicht unterkriegen lassen. Caleb war schon seit einiger Zeit klar, daß allein Romy die Familie Cole zusammengehalten und die Mutter und den Bruder sowohl finanziell als auch emotional unterstützt hatte.
    Wenn er sich tatsächlich in Romy verliebt hatte – obwohl er nie im Traum an so etwas gedacht hatte –, so würde das erklären, warum er so wütend geworden war, als er Johnnie Fitzgeralds Aufdringlichkeit ihr gegenüber beobachtet hatte. Wenn er sich zu Romy hingezogen fühlte, so erklärte das vielleicht auch, warum er sie schon damals, nachdem er ihr zum erstenmal in Middlemere begegnet war, nicht hatte vergessen können; warum das Bild dieser kleinen, zornigen Person ihm im Gedächtnis geblieben war wie der Nachglanz eines Feuerwerks. Liebe auf den ersten Blick … oder, wenn nicht das, dann doch ein Funke, an dem sich Liebe entzündet hatte, die anfangs nur langsam gebrannt hatte, dafür aber hartnäckig und unauslöschbar.
    Am Montag morgen wurde Jem offiziell wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung unter Anklage gestellt. Das Gericht ließ eine Freilassung auf Kaution nicht zu, und Jem wurde unverzüglich ins Pentonville-Gefängnis gebracht.
    Romy sprach mit Jems Anwalt, Mr. Rogers. »Es war Notwehr«, erklärte sie. »Darauf kommt es doch an, nicht wahr? Ray Babbs hat Jem zuerst angegriffen.«
    Mr. Rogers runzelte die Stirn. »Von größerem Belang ist die Frage, ob die Geschworenen zu dem Schluß kommen werden, daß Ihr Bruder keine unangemessene Gewalt angewendet hat. Das ist der springende Punkt.«
    Sie sah ihn verständnislos an.
    »Wenn die Geschworenen der Ansicht sind«, erklärte Mr. Rogers, »daß Ihr Bruder übermäßige Gewalt angewendet hat, werden sie ihn möglicherweise schuldig im Sinne der Anklage sprechen. Und es besteht ja kein Zweifel, daß Mr. Babbs bei dem Kampf weit schlechter abgeschnitten hat. Ihr Bruder hat nur einige Schrammen und Blutergüsse abbekommen.«
    »Aber Ray Babbs ist mit dem Kopf an das Geländer geschlagen«, rief sie. »Es war ein Unglücksfall.«
    »Und wir werden uns bemühen, das ganz deutlich zu machen.«
    Verzweifelt sagte sie: »Die Leute in dem Pub müssen doch gesehen haben, daß Babbs den Streit vom Zaun gebrochen hat.«
    Mr. Rogers kramte in den Papieren. »Die Schwierigkeit ist, Miss Cole, daß es offenbar kaum Zeugen gibt, die den Ausbruch des Streits gesehen haben, dafür aber eine ganze Menge, die seinen Fortgang beobachtet haben. Und für den späteren Zusammenstoß auf der Straße, bei dem Mr. Babbs verletzt wurde, haben wir überhaupt keine Zeugen.«
    Er sah sie über die Ränder seiner Brillengläser hinweg an. »Sie dürfen nicht vergessen, Miss Cole, daß Mr. Babbs in dieser Gegend sehr viele Freunde hat. Seine Familie lebt seit mehreren Generationen in Blackfriars. Da gibt es – alte Bindungen unter den Leuten, Sie verstehen.«
    Das Entsetzen und die Angst, die sie seit dem Moment begleiteten, an dem Jem an ihre Wohnungstür getrommelt hatte, schienen sich in ihr festgesetzt zu haben, als wollten sie sie nie wieder freigeben. Als sie Rogers’ Kanzlei verließ, fragte sie sich, ob man ihr die Angst vom Gesicht ablesen konnte. Am liebsten hätte sie die Kapuze ihre Regenmantels hochgeschlagen, obwohl schönstes Wetter war. Sie wollte sich verstecken, davonlaufen.
    Nach der Gerichtsverhandlung kam sie zu spät zur Arbeit. »Ich hatte Magenschmerzen«, erklärte sie Mrs. Plummer, die an ihrem Schreibtisch saß und die Bücher durchsah.
    »Wenn Sie sich ohne Genehmigung freinehmen wollen, müssen Sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen, mein Kind«, sagte Mrs. Plummer ruhig.
    Romy biß

Weitere Kostenlose Bücher