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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Fläschchen, nahm eine Tablette heraus und schluckte sie. Sie spürte die Versuchung, noch eine zu nehmen und noch eine, nur um ihre eigene Torheit vergessen zu können, darum schraubte sie den Deckel wieder zu und stellte das Fläschchen in ihr Nachtschränkchen. Dann setzte sie sich aufs Bett.
    Sie hatte sich treiben lassen. Sie hatte sich in Phantasien hineingesteigert und dabei ihr sicheres, komfortables Leben aufs Spiel gesetzt. Am Rand des Abgrunds stehend, hatte sie sich gerade noch gefangen. Sie sollte dankbar sein für das, was sie hatte. Osborne mochte trocken und humorlos sein und einen manchmal auf die Palme bringen, aber er war, wie Celia gesagt hatte, immer ein treuer Ehemann gewesen. Sie brauchte Osborne, und sie brauchte Swanton Lacy. Sie war an beide gebunden; wie naiv von ihr, sich einzubilden, sie könnte ohne sie leben.
    Martha kam nach London, um Jem im Gefängnis zu besuchen. Jem war dünn und nervös. Er hatte die Gewohnheit angenommen, ständig über die Schulter zu blicken, als fürchtete er eine Gefahr. Seine Stimmungen schwankten zwischen Großtuerei und Todesangst. Manchmal prahlte er damit, was er tun würde, wenn die Verhandlung erst vorbei und er freigesprochen wäre. Er würde aus London weggehen und aufs Land ziehen. Sein Kind sollte nicht in der Großstadt aufwachsen. Dann kamen wieder Momente, in denen er zitternd dasaß und flüsterte: »Ich halt das nicht mehr aus. Du mußt mich hier rausholen, Romy. Ich krieg hier drinnen keine Luft.«
    Nach dem Besuch ging Romy mit ihrer Mutter in ein Café in der Caledonian Road. Martha rauchte eine Zigarette nach der anderen. Zwischen den Zügen an ihrer Zigarette stieß sie abgehackte, von Angst und Verwirrung diktierte Sätze hervor.
    »Er würde niemals absichtlich einem anderen etwas antun, Romy, das weißt du doch. Ganz gleich, was er getan hat – und ich weiß, daß er kein Engel ist –, niemals würde er absichtlich einem anderen weh tun. Ich weiß, daß er leicht die Beherrschung verliert und wütend wird, aber er ist nicht schlecht . Er war so ein sanfter kleiner Junge. Ein Träumer. Erinnerst du dich noch, wie lang er immer gebraucht hat, um sich morgens für die Schule fertigzumachen? Es hat mich wahnsinnig gemacht. Du mußtest ihm immer die Schuhe binden.« Martha begann zu weinen. Ihre Tränen fielen zusammen mit der Asche ihrer Zigarette in die Teetasse.
    »Ich habe Angst«, sagte sie leise. »Wenn sie ihn einsperren – das hält er nicht aus. Ich habe Angst, daß er eine Dummheit macht, wenn sie ihn ins Gefängnis stecken. Wie sein Vater …«
    Romy brachte Martha zum Bahnhof. Als sie nach Hause kam, fand sie Jems Hund vor ihrem Haus angebunden. An seinem Halsband hing ein Zettel, auf dem in Liz’ kindlicher Handschrift stand: »Meine Mutter will den Hund nicht mehr im Haus haben. Wenn du ihn nicht behalten kannst, muß er ins Tierheim.«
    Sie schmuggelte Sandy in ihre Wohnung. Die Katze fauchte ihn an, und er verkroch sich mit traurigem Blick in der Ecke. Als sie sich an den Tisch setzte, um einen Brief zu schreiben, rollte sich die Katze besitzergreifend auf ihrem Schoß zusammen. Als sie sich etwas zu essen machen wollte, schwänzelte ihr der Hund um die Beine. Sie hatte Angst, einen falschen Schritt zu machen und gegen seine dünnen Windhundbeine zu prallen. Sie fragte sich, was es kosten würde, ihre wachsende Menagerie zu verköstigen, und sie fragte sich mit ängstlich klopfendem Herzen, ob ihr Geld reichen würde, um Mr. Rogers zu bezahlen.
    Für das folgende Wochenende waren zwei Hochzeitsempfänge im Hotel geplant. Mrs. Plummer und Romy stellten Listen auf, hakten ab, was erledigt war, führten endlose Telefongespräche. Die erste Braut wollte weiße Blumen; der Blumenhändler schickte rosarote. Die Mäuse, die immer schon die Küche unsicher machten, knabberten den Guß auf der Torte an. Man hatte dem Hotel angekündigt, daß zu dem zweiten Empfang zweihundert Gäste erwartet würden; am Mittwoch morgen waren es plötzlich zweihundertfünfzig. Romy brachte den Tag damit zu, zusätzliche Stühle, Tische, Tischwäsche und Servietten zu organisieren.
    Es war sechs Uhr, und sie hakte gerade den letzten Punkt auf ihrer Liste ab, als sie aus dem Nebenzimmer ein Geräusch hörte. Als sie anklopfte, rührte sich nichts. Sie stieß die Tür auf und sah Mrs. Plummer mit schmerzverzerrtem Gesicht über ihrem Schreibtisch liegen. Schreibsachen und Papiere lagen auf dem Boden; der Telefonhörer war von der Gabel

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