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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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um den Plattenspieler und das allgemeine Stimmengewirr zu übertönen. Das Büfett auf einer aufgebockten Platte bestand aus Brot, Käse und Gewürzgurken. Es gab Bier und Zider; die leeren Flaschen wurden einfach irgendwo auf den Boden gestellt. Die Gäste sahen alle ein bißchen schmuddelig und verschlampt aus; den Mädchen hingen die Stirnfransen tief in die bleichen Gesichter, und ihre Augen waren mit dicken schwarzen Strichen umrandet. Sie trugen Jeans und unförmige schwarze Pullis, Romy kam sich spießig und fehl am Platz vor unter ihnen. Hier und da entdeckte sie vertraute Gesichter: Freunde aus Soho und dem Fitzroy, Leute, die früher einmal zu Magnus’ Clique gehört hatten.
    Psyche war in der Küche und kreischte vor Freude, als sie das Geschenk ausgepackt hatte und die getupften Teller sah.
    »Wir wollten eigentlich ohne viel Trara auf dem Standesamt heiraten«, berichtete sie Romy, »aber meine Mutter wollte unbedingt, daß wir zu Hause heiraten. Da konnte ich ja nicht gut nein sagen, ich meine, sie wäre unheimlich enttäuscht gewesen, und außerdem ist unsere Gemeindekirche wirklich schön, und natürlich wollen sämtliche Cousinen Brautjungfern sein. Wenn ich alle meine Verwandten zusammenzähle, sind es fast hundert! Es wird also wohl eine große Hochzeit werden, obwohl wir das überhaupt nicht vorhatten.«
    Romy dachte, wie das wohl sein mußte, so viele Brüder und Schwestern und Tanten und Onkel zu haben, daß man hundert Leute zur Hochzeit einladen mußte. Zu ihrer Familie – zusammengewürfelt und teilweise zerrüttet – zählten nicht mehr als ein Dutzend Menschen. Welche von ihnen würde sie zu ihrer Hochzeit einladen? Dennis, der zuviel trinken und die Brautjungfern mit schmatzenden Küssen bedrängen würde? Jem, der den Tag, die Zeit und die Adresse vergessen würde? Würde sie für solche Gäste weißen Satin tragen und ein Fest geben wollen?
    Sie ging in den kleinen Garten hinaus. Jemand hatte eine Sinatra-Platte aufgelegt, und die träge, seidige Stimme wehte über das warme Gras. Sie fühlte sich zerbrechlich, wie aus dünnem Glas. All das, was für die anderen, die in diesem Haus feierten, selbstverständlich war – ein behagliches Zuhause, eine fürsorgliche Familie, Geld und Liebe – hatte sie nie gehabt. Ihr Zuhause war das Trelawney, das sie schon in wenigen Monaten, in spätestens einem Jahr verlieren würde. Und Mrs. Plummer würde sie auch verlieren. Sie mußte sich finanzielle Sicherheit selbst schaffen oder darauf verzichten. In ihrer Familie waren alle viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, um die ihren zu bemerken. Und was die Liebe betraf …
    Alle dauerhafte, zuverlässige Liebe war aus ihrem Leben verschwunden, als sie acht Jahre alt gewesen war – ausgelöscht mit einem einzigen Gewehrschuß. Seither hatte sie sich mit der sprunghaften Zuneigung ihres Bruders und der ausgelaugten Loyalität ihrer Mutter begnügen müssen und, eine Zeitlang, mit der unausgegorenen Leidenschaft Toms, der nur jene ihrer Seiten gesehen hatte, die er hatte sehen wollen.
    Jemand berührte ihre Schulter. Als sie sich umdrehte, sah sie Caleb und war tief erleichtert. »Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen.«
    »Ich bin aufgehalten worden. Tut mir leid.« Er gab ihr einen Kuß auf die Wange. »Wie geht es Jem?«
    »Er ist ein bißchen deprimiert. Wahrscheinlich hat er Angst vor dem Prozeß.« Sie starrte in ihr Glas. Nach einigen ängstlichen Fragen nach Liz hatte Jem während des ganzen Besuchs kaum ein Wort gesprochen. In seinen Augen hatte sie eine Hoffnungslosigkeit wahrgenommen, die sie erschreckt hatte. Sie hatte an die Worte ihrer Mutter denken müssen: Nach Sams Tod hat er nicht mehr gesprochen … Er hatte damals, als Siebenjähriger, eine Art Zusammenbruch gehabt, das war ihr jetzt klar. Der Gedanke, daß die Geschichte sich wiederholen könnte, machte ihr angst.
    »Du siehst aus, als hättest du genug«, sagte Caleb, und sie nickte.
    »Bring mich nach Hause, Caleb.« Sie wollte plötzlich raus aus dem Gewimmel. »Bitte, bring mich nach Hause, ja?«

11
    C ALEB HATTE A NFANG DES J AHRES mit den Arbeiten am Garten der Familie Roland begonnen. Freddie hatte ihm beim Entwurf freie Hand gelassen und ihn mit großzügigen Hilfsangeboten und gelegentlicher konstruktiver Kritik unterstützt. Es war ein großes Grundstück, sein größtes Projekt bisher, und bei der ersten Besichtigung hatten ihn nach der anfänglichen freudigen Erregung Selbstzweifel

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