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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Zwangsräumung zuständig. Aber er war, unter uns gesagt, der Aufgabe nicht gewachsen. Er hat die Sache verbockt.«
    Es folgte ein kurzes Schweigen. Dann sagte Mr. Daubeny plötzlich: »Cole schoß mit einem Gewehr. Paynter rief daraufhin die Polizei. Die Sache geriet außer Kontrolle, und ein Polizeibeamter wurde verletzt. Kurz danach richtete Cole die Waffe gegen sich selbst.«
    Daubeny stand von seinem Schreibtisch auf und trat ans Fenster. »Sie müssen begreifen«, sagte er, »daß Samuel Cole sich sein Unglück selbst zuzuschreiben hatte. Und Sie sollten nicht vergessen, Caleb, daß das Mißgeschick der Familie Cole Ihnen zugute kam. Das Häuschen, in dem Sie mit Ihrer Mutter lebten, bevor Middlemere frei wurde, befand sich in einem Zustand völligen Verfalls. Da gab es nichts mehr zu reparieren. Die Feuchtigkeit war in die Mauern eingedrungen.« Er fragte noch einmal: »Warum interessieren Sie sich für die Familie Cole?«
    »Ich habe Coles Tochter kennengelernt«, sagte Caleb.
    Mr. Daubeny starrte ins Leere. »Ach, das kleine Mädchen«, sagte er unvermittelt. »Sie war im Haus, als die Räumung stattfand. Niemand wußte es. Sie war dabei, als ihr Vater starb.«
    Evelyn Daubeny, die bei den Blumenbeeten hinter der Spülküche war, sah Caleb aus dem Haus kommen und zu Mr. Fryers Schuppen hinübergehen. Einen Moment lang überließ sie sich der törichten kleinen Phantasie, die sie sich gelegentlich erlaubte, er wäre ihr Sohn. Natürlich hieße er dann nicht Caleb, sondern Stephen. Das erste Kind hatte Stephen geheißen. Caleb Hesketh war knapp ein Jahr jünger als Stephen jetzt wäre, wenn er gelebt hätte. Darling, würde sie ihm zurufen, könntest du mir hier mit den Blumen helfen? Und er würde lächelnd zu ihr kommen, die Narzissen hochnehmen und ins Haus tragen.
    Aber er war nicht Stephen; er war Caleb, der Sohn dieser gräßlichen Person, dieser Hesketh, und nach ein, zwei Sekunden löste sich die kleine Phantasie in Luft auf wie immer, und Evelyn wandte sich leicht beschämt ab und schichtete weiter Narzissen in den Korb. Eigentlich mochte sie Narzissen gar nicht. Sie waren völlig ungeeignet für Blumenarrangements; man konnte nichts mit ihnen anfangen, ohne jede Anmut standen sie einfach nur in der Gegend herum. Und Fryer hatte auch noch eine besondere Vorliebe für die grellgelben. »Eine Narzisse muß so richtig leuchten, Mrs. Daubeny«, pflegte er auf ihre vorsichtigen Bitten um eine cremefarbene oder kleinköpfige Narzisse zu entgegnen. Bei den Narzissen hatte sie aufgegeben, aber als es um den Rosengarten ging, hatte sie Fryer Paroli geboten. Sie liebte Rosen – die altmodischen Kletterrosen mit dem starken Duft – und hatte sich erfolgreich gewehrt, als Fryer vorgeschlagen hatte, die alten Rosen auszugraben und durch farbenprächtige moderne Sorten zu ersetzen.
    Sie beschloß, zuerst die Blumen zu verteilen und ihre Mutter und Celia danach anzurufen. Mutter war letzte Woche, als sie miteinander telefoniert hatten, ziemlich deprimiert gewesen, die Arme, und es konnte nicht schaden, bei Celia nachzufragen, ob es bei dem Mittagessen morgen in der Stadt blieb, sie war ja immer so beschäftigt, da kam ihr manchmal in letzter Minute noch etwas dazwischen.
    Evelyn steckte die Blumen in der Spülküche in Vasen und trug diese ins Speisezimmer. Es lag in der Mitte des Hauses, ein ungünstig geschnittener Raum ohne Fenster. Die Wände waren bis zur Bilderleiste hinauf getäfelt und darüber in einem dunklen Blutrot gestrichen. Die Beleuchtung, ob elektrisches oder Kerzenlicht, war nie ausreichend, so daß man beim Essen stets in trübem Dämmerschein saß. Aber das war vielleicht ganz gut so, sagte sich Evelyn grimmig, während sie die Vasen im Zimmer verteilte, denn die neue Köchin, Mrs. Vellacott, hatte sich bisher als ziemliches Desaster entpuppt. Ganz abgesehen von ihrer brummigen Art schien sie schlicht und einfach nicht kochen zu können. Schon merkwürdig, dachte Evelyn, daß jemand sich ausgerechnet auf einem Gebiet Betätigung sucht, auf dem er allem Anschein nach überhaupt keine Begabung hat. Aber die arme Mrs. Vellacott war Witwe, sie hatte ihren Mann im Krieg verloren, und vermutlich hatten sie die Umstände gezwungen, jede Arbeit anzunehmen, die sich bot. Und sie konnte weiß Gott nichts dafür, daß sie – es gab kein anderes Wort – spukhäßlich war mit ihrem gewaltigen, unförmigen Körper und der Warze über dem Augenlid, die ihr von Osborne augenblicklich den Spitznamen

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