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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hinterließ ihr das Trelawney-Hotel. Obwohl die ganze Welt im Bombenhagel zum Teufel zu gehen schien, war sie zum erstenmal in ihrem Leben vollkommen glücklich. Sie liebte das Hotel, sie wußte, es war der Paß zu der gutbürgerlichen Existenz, nach der sie so lange schon strebte. Sie bezog eine Zimmerflucht im Hotel. Natürlich waren es schwere Zeiten, wegen des Krieges, aber sie hatte durch ihren Nachtklub Kontakte und wußte, an wen sie sich wenden mußte, wenn sie kleine Ausnahmeregelungen erwirken wollte.
    Dann lernte sie Johnnie kennen. Sie würde den Moment nie vergessen, als sie Johnnie Fitzgerald zum erstenmal gesehen hatte. Sie war in den Klub gekommen, um nach dem Rechten zu sehen, und Johnnie saß an der Bar. Er hob den Kopf und sah sie an, und sie verliebte sich augenblicklich in ihn. So einfach und unerklärlich war das. Sie, Mirabel Plummer, die gescheit genug gewesen war, der Liebe zweiundvierzig Jahre lang aus dem Weg zu gehen, war auf den ersten Blick unrettbar verloren.
    Aber er hatte sie auch geliebt. Damals war sie eine tolle Eroberung gewesen, reich und unabhängig, mit der hinreißenden Figur einer Sechzehnjährigen und ohne ein graues Haar auf dem Kopf. Eine berauschende Liebesbeziehung entspann sich zwischen ihnen. Reichlich spät lernte sie sexuelle Leidenschaft kennen; lernte, was es bedeutete, sich nach einem Mann zu verzehren, nach seiner Berührung zu lechzen.
    Aber sie lernte auch den bitteren Geschmack der Eifersucht kennen und die Angst, ihn zu verlieren. Johnnie war eigenwillig und nicht zu zähmen. »Du kannst mich nicht besitzen, Mirabel«, sagte er bei ihrem ersten Streit zu ihr. Und er behielt recht. Wovon auch sonst sie im Lauf der Jahre Besitz ergriffen hatte, Johnnie würde niemals dazuzählen. Ebensogut hätte sie versuchen können, einem schnell dahinströmenden Fluß Einhalt zu gebieten oder einen Sturm zu besänftigen.
    Sie hätte ihn auf der Stelle geheiratet, hätte er ihr einen Antrag gemacht. Aber das tat er nicht, und mit den Jahren wurden ihre Auseinandersetzungen, die anfangs durch die Leidenschaft der Versöhnungen wettgemacht wurden, immer bitterer und verletzender. Grau mischte sich jetzt ins Kastanienbraun ihrer Haare, auch wenn sie es mit einer Tönung kaschierte, und ihr fiel auf, daß sie zugenommen hatte und ihr Busen ein wenig erschlaffte, seit sie ins Klimakterium gekommen war. Sie verheimlichte Johnnie ihr wahres Alter; der Gedanke, er könnte dahinterkommen, daß sie beinahe zehn Jahre älter war als er, machte ihr angst. Mit der Zeit schaffte sie es, seine flüchtigeren Affären einfach zu ignorieren, aber sie schaffte es nie, ihren Zorn und ihren Schmerz zu verbergen, wenn aus so einer Affäre etwas Ernsteres zu werden drohte. Sie merkte, daß er mit Geld nicht umgehen konnte, und half ihm immer wieder aus der Patsche. Sie merkte auch, daß er ihr im Bett das Gefühl geben konnte, wieder jung zu sein, jung und begehrenswert.
    1953 verließ sie das Glück. Sie litt unter häufigen Magenschmerzen; als man operierte, entdeckten die Ärzte eine Wucherung. Sie beschloß, ihr Testament zu machen. Bei einem Besuch in ihrem Heimatdorf, dem ersten, seit sie mit vierzehn Jahren auf und davon gegangen war, hörte sie, daß die Familie Gilfoyle Haus und Vermögen verloren hatte und Eddie Gilfoyle, der einzige überlebende Sohn, sich als Rechtsanwalt seinen Lebensunterhalt verdiente.
    Sie hatte der Versuchung nicht widerstehen können, Eddie Gilfoyle mit der Abfassung ihres Testaments zu beauftragen. Diese Genugtuung, jemand aus dieser hochmütigen Familie um sie herumscharwenzeln, nach ihrer Pfeife tanzen zu sehen! Beinahe vierzig Jahre lang hatte sie auf Rache gewartet, und nun war sie da und schmeckte süß.
    Schon glaubte sie, ihr Glück hätte sich wieder gewendet. Sie fühlte sich täglich wohler, und sie begegnete Romy. Etwas an Romy erinnerte sie an sich selbst, wie sie vor vielen Jahren gewesen war – der Lebenshunger in ihrem Blick und die offenkundige Ungeduld, sich aus den engen Lebensumständen, in denen sie gefangen war, zu befreien. Und als dann Romy eines Tages im Trelawney erschien, mit blauen Flecken im Gesicht und praktisch ohne einen Penny in der Tasche, bot Mirabel Plummer, die weiß Gott nicht zur Sentimentalität neigte, ihr spontan eine Arbeit an. Sie hatte diesen Impuls bis heute nicht bedauert und ebensowenig ihren späteren Entschluß, Romy zu ihrer Sekretärin zu machen. Romy Cole war eine intelligente und ehrgeizige junge Frau, bei

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