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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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darauf getrimmt, Mr. und Mrs. Jones in ihrem Reihenhäuschen draußen in der Vorstadt zu gefallen. Alles, was ein bißchen aus diesem Rahmen fällt – alles, was originell ist wie Bittere Früchte  –, fällt unter den Tisch.«
    »Ach, jetzt hör aber auf«, protestierte ein junger Mann mit Brille. »So schlimm ist es auch wieder nicht.«
    »Ach nein, Dave? Die Kunst liegt doch im Sterben. Aufgebläht. Denk bloß mal an Psyches Tanzerei.«
    Psyche murmelte: »Wenn ich ein bißchen abgenommen habe –«
    »So hat er’s nicht gemeint, Schätzchen.«
    »Einrichtungen, wo mittelmäßige mittelständische Geschäftsleute Dampf ablassen können. Was anderes sind diese Schuppen doch nicht«, dozierte Magnus mit weit ausholender Geste. Kaffee schwappte aufs Sofa. »Es geht doch nur darum, jede Herausforderung zu vermeiden. Bloß nicht an den Gegebenheiten rütteln. Bloß nicht den Status quo in Frage stellen. Und bloß nicht die Leute zum Denken animieren. Das wäre das Allerschlimmste.« Er wedelte mit den langen Armen. »Agatha Christie. Daphne du Maurier. Das sind die Schinken, die sich verkaufen.«
    Dave, der Junge mit der Brille, warf ein: »Ich dachte, der Umsatz interessiert dich nicht.«
    Magnus sah ihn ärgerlich an. »Es geht doch darum, daß einem eine Stimme gewährt wird. Außerdem geht’s ums Prinzip. Kunst sollte provozieren.«
    »Ja, das ist sicher eine Funktion der Kunst. Aber nur eine.«
    »Die einzige, die Bedeutung hat.«
    »Soll sie nicht auch Trost spenden?«
    »Um Gottes willen. Als nächstes sagst du noch, sie soll Flucht ermöglichen.«
    »Genau. Warum nicht?«
    »Weil dazu die Literatur nicht da ist.«
    »Ach nein? Und was ist mit Don Quichotte ? Oder Romeo und Julia ? Glaubst du nicht, daß diese Werke zum Teil auch geschrieben wurden, um die Flucht aus einem sicherlich ziemlich harten Alltagsleben zu ermöglichen?«
    »Ich fand Rebecca so toll«, bemerkte Psyche mit einem tiefen Seufzer. »So romantisch.«
    »Na bitte, das ist doch das beste Beispiel. Wir sollen den adligen Helden bewundern, obwohl er ein Mörder ist –«
    »Aha, du hast es gelesen, Magnus –«
    Die Schlacht tobte weiter. Tom schob seinen Arm um Romys Taille. Jemand legte eine Platte auf; Paare tanzten zwischen leeren Bierflaschen und Bücherstapeln. Als Romy mit Tom tanzte, hielt er sie vorsichtig, seine Hände berührten sie zaghaft, sein Atem strich zitternd um ihr Ohr. Anfangs waren seine Küsse scheu, voller Zweifel, ein Hauch von Haut auf Haut; dann verweilten seine Lippen einen Moment, nur ein, zwei Sekunden, als könnte sie unter länger andauernder Berührung zerbrechen oder zerspringen. Obwohl sie seit dem frühen Morgen auf den Beinen war, obwohl es nach Mitternacht war und sie hätte todmüde sein müssen, war sie hellwach und quicklebendig. Das Blut strömte schnell und leicht durch ihre Adern, und ihr Körper nahm jeden leisesten Druck seines Körpers wahr. Als er flüsterte: »Komm mit zu mir«, schüttelte sie den Kopf. Es war eine rein automatische Reaktion, hätte sie sich längeres Überlegen gestattet, so hätte sie vielleicht eine andere Antwort gegeben.
    Als sie ein paar Tage später an ihrem freien Nachmittag aus dem Hotel trat, sah sie ihn. Er lehnte an dem Geländer, das die Grünanlage in der Mitte des Platzes umschloß. Aus dem Laub der Bäume tropfte Wasser auf sein Haar und seine dünne Jacke. Als sie ihn fragte, wie lange er schon warte, sagte er: »Nicht lang. Eine Ewigkeit.«
    Sie gingen ins Britische Museum. Sie führte ihn in die Säle, in denen sie sich am liebsten aufhielt, die mit den orientalischen und ägyptischen Ausstellungsstücken. Er sagte: »Da möchte ich überall mal hin. Was es da alles gibt! Das möchte ich alles sehen. Geishas in Kimonos. Berge – richtige, mit Schnee auf den Gipfeln. Menschen, die mit Stäbchen essen. Und die Pyramiden natürlich.«
    Sie gingen zwischen Glasvitrinen hindurch, in denen hohe chinesische Vasen, zierliche koreanische Lackarbeiten und bemalte Porzellanschalen zu bewundern waren. Sie zeigte ihm das Wandgemälde der Königin Nefertari, die nachtschwarz und heiter inmitten der Akanthusblüten stand. Eine Katze aus Onyx blickte von einem Sockel auf sie herab. Als er ihre Hand faßte und sein Daumen gegen die Mulde ihrer Handfläche drückte, durchrann sie ein kleiner Schauder. Auf dem Rückweg zum Hotel fühlte sie sich sorglos und beschwingt; am liebsten wäre sie über die Pfützen gesprungen.
    Am nächsten Tag kam ein Brief. Der Umschlag

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