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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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natürlich Angst. Was, wenn das Präservativ nicht in Ordnung gewesen war? Was, wenn sie schwanger werden würde? Das würde all ihre Hoffnungen und Ambitionen gründlich zunichte machen.
    Und Zärtlichkeit verspürte sie. Toms lange Glieder waren wie aus weißem Marmor. Sie merkte, daß sie Angst um ihn hatte: Die Hoffnungen und Ideale, die ihn erfüllten, schienen ihr nicht ausreichend als Rüstung gegen die Härten des Lebens.
    Einige Wochen später erkrankte einer der Gäste im Hotel. Romy wurde gebeten, Mrs. Plummer zu holen. Gerade wollte sie bei ihr anklopfen, da hörte sie Weinen von der anderen Seite der Tür. Sie erstarrte. »Johnnie, ich ertrage es einfach nicht, wenn du so mit mir sprichst. Johnnie, nicht! Ich bitte dich.« Dann wurde die Tür aufgerissen, und Johnnie Fitzgerald stand vor Romy. Sein dunkles Gesicht war wutverzerrt, als er schrie: »Hör endlich auf, an mir rumzunörgeln, Mirabel. Ich bin nicht dein Eigentum. Ich bin nicht mit dir verheiratet. Wenn du mich nicht wie einen normalen Menschen behandeln kannst, suche ich mir eben eine andere. Frauen gibt es genug!«
    Als er Romy bemerkte, hielt er inne und grinste mit blitzenden weißen Zähnen. »Lassen Sie ihr einen Moment Zeit«, sagte er in schleppendem Ton. »Damit sie sich ein bißchen frisch machen kann, Sie verstehen, was ich meine?«
    Mit lässigem Schritt entfernte er sich durch den Korridor. Romy hätte ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt; statt dessen beschimpfte sie ihn mit gesenkter Stimme, wobei sie Ausdrücke gebrauchte, die sie im Trelawney nicht hätte laut sagen dürfen. Aber sie tat, wie er ihr geraten hatte, und wartete einige Minuten, bevor sie leise anklopfte. Und als sie eintrat, ließ sie sich nicht anmerken, wie sehr Mrs. Plummers unglückliches, verweintes Gesicht sie erschreckte.
    »Ich suche meine Hutnadeln«, sagte Venetia Seymour mit vagem Blick zu ihrem Toilettentisch. »Siehst du sie vielleicht irgendwo, Evelyn?«
    »Hier, Mutter.« Evelyn nahm eine blaue Glasschale vom Kaminsims. »Soll ich?«
    »Bitte, Liebes.« Venetia drückte sich den cremefarbenen Strohhut auf den Kopf; Evelyn griff zu den perlenverzierten Nadeln. Es gab nichts, woran sie den Hut hätte verankern können, wie sie feststellte, als sie die Nadeln vorsichtig durch das Stroh schob. Von dem früher so üppigen blonden Haar ihrer Mutter waren nur noch einige schüttere weiße Strähnen übrig, die sie, nach der Mode ihrer edwardianischen Kindheit, zu einem Knoten zusammengedreht hoch oben auf dem Kopf trug.
    Venetia schaute zum Fenster hinaus. »Was meinst du, soll ich einen Schleier tragen?«
    »Nein, Mutter. Wir haben Mai. Es ist angenehm warm.« Und wir sind in Bournemouth, hätte sie hinzufügen können, nicht in Indien. Sand und Meer und Ausflügler, nicht Fliegen, Hitze und Staub.
    Venetia zog die weißen Handschuhe über ihre von Arthritis knotigen Finger. »So. Fertig.« Fischbein knarrte leise, als sie sich in einer Wolke von alten Spitzen und Parmaveilchenduft erhob.
    »Deine Schuhe, Mutter.«
    Die Riemchen von Venetias weißen Glacélederschuhen waren nicht geknöpft. Sie blickte stirnrunzelnd abwärts. »Ach ja. Natürlich. Evelyn, Liebes, könntest du wohl …?«
    Evelyn kniete nieder und knöpfte die Schuhe. Als sie sich wieder aufrichtete, warf sie einen verstohlenen Blick auf ihre Uhr. Es war kurz vor drei. Es hatte eine volle halbe Stunde gedauert, ihrer Mutter zu helfen, sich zum Ausgehen zurechtzumachen. Und auf ihrem Spaziergang am Wasser entlang, einem sehr langsamen Spaziergang, mußten sie unbedingt zu Tee und Gebäck bei Bealeson einkehren, wo sie, obwohl ihre Mutter kaum etwas aß, jedesmal eine Ewigkeit herumsaßen. Gerade um diese Zeit aber, gegen Ende der Sommersaison, war damit zu rechnen, daß auf den Ausfallstraßen rund um Bournemouth starker Verkehr herrschte.
    Bei Bealeson tranken sie Darjeeling-Tee und aßen kleine Gurkenbrötchen dazu. Das Gespräch war ziemlich einseitig und bestand großenteils aus den neuesten Nachrichten über Venetias Freundinnen.
    »Rose hat sich vor kurzem verlobt. Sie will nächstes Jahr heiraten.«
    »Wer ist Rose?«
    »Dorothys Enkelin.« Dorothy war eine alte Schulfreundin von Venetia.
    »Und wie geht es Dorothy?«
    »Sie hält sich tapfer.« Venetia schnitt eines der kleinen Brötchen in noch kleinere Quadrate. »Die Operation hat sie natürlich zurückgeworfen, aber sie hofft, daß sie das Pflegeheim noch diesen Monat verlassen kann. Sadie Jones ist übrigens im selben Heim.

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