Das Erbe des Vaters
typisch bürgerlich und sentimental, zu viele Sonnenuntergänge und Gewitter.«
»Ich mag Sonnenuntergänge und Gewitter. Je mehr Sonnenuntergänge und Gewitter, desto besser.«
»Mögen Sie auch Partys?«
»Partys?«
»Ja, bei meinem Freund Magnus steigt heute abend eine Party. Haben Sie Lust, mit mir hinzugehen?«
»Jetzt?«
»Ja. Wie schaut’s aus?«
Sie hatte das Gefühl, sich auf der Schwelle von etwas Neuem zu befinden, etwas Aufregendem. »Na gut«, sagte sie. »Warum nicht?«
Sie machten sich auf den Weg nach Camden. Romy verschlug es die Sprache, als sie Magnus Quenbys Wohnung sah. Tische, Kaminsims, Fensterbrett und Fußboden waren voller Bücher, Papier und schmutzigem Geschirr; und über dem Ganzen lag grauer Staub wie Spinnweben. Es war unmöglich zu erkennen, was für eine Farbe das Sofa einmal gehabt hatte. Als sie durchs Zimmer ging, blieben ihre Schuhsohlen am Linoleum kleben. Durch eine offene Tür sah sie die Küche, ein Alptraum aus ungespültem Geschirr und fettbespritzten Kacheln.
Etwa ein Dutzend Leute drängte sich in den zwei kleinen Zimmern. In der Küche machte Tom Romy mit Magnus bekannt.
Magnus Quenby war groß und hager mit strähnigem dunklem Haar, das ihm in einem fettigen Büschel über die schwarze Hornbrille mit den dicken Gläsern fiel. Er hatte eine schmuddelige Kordhose an und einen ausgefransten Rollkragenpullover. In seinen Augen lag ein wachsamer, verächtlicher Ausdruck, als suchte er überall Dummheit und fände sie häufig auch. Er begrüßte Romy mit einem kurzen Nicken, ehe er sich wieder dem Kaffee zuwandte, den er auf dem Herd stehen hatte.
»Hast du was mitgebracht, Tom?«
»Zwei Flaschen Bier.«
»Ich dachte, ich hätte welches da, aber …« Magnus wies verdrossen zu den schwankenden Geschirrstapeln. »Ich find’s nicht.«
Tom erbot sich, beim Pub gegenüber Bier zu holen. Magnus klopfte sich zerstreut auf die Taschen. »Ich bin ein bißchen knapp.«
»Ich hab schon noch was.«
»Du kriegst es zurück, sobald mein Vorschuß kommt.«
Tom flitzte davon. Magnus drehte den Wasserhahn auf und begann, Tassen zu spülen.
Romy ging ins Wohnzimmer hinüber. Eine junge Frau mit roten Haaren sagte zu ihr: »Das ist ja ein toller Pulli. Woher hast du den?«
»Aus Paris.«
»Aus Paris!« Sie verzog das hübsche rundliche Gesicht. »Du bist vielleicht ein Glückskind. Ich würde liebend gern mal nach Paris fahren.« Sie bot Romy die Hand. »Ich bin Psyche. Eigentlich heiße ich Penelope, aber das ist so langweilig. Ich fand Psyche viel spannender. Was meinst du?«
»Ein schöner Name. Ich bin Romy.«
»Du bist mit Tom hier, richtig?«
Sie nickte. Da war sie wieder, diese sprudelnde Erregung und Erwartungsfreude.
Psyche sagte: »Ich bin Tänzerin, weißt du, da brauche ich einen Namen, der paßt.«
»Ballettänzerin?«
Psyche sah plötzlich deprimiert aus. »Ich habe Ballett gemacht, aber ich bin zu groß und zu dick. Ich tanze in einem Nachtklub. Nächste Woche tanze ich im Windmill vor. Ab und zu arbeite ich auch als Modell, an der Camberwell-Kunstakademie.«
Romy erzählte Psyche vom Trelawney-Hotel. »Du bist wirklich ein Glückskind«, sagte Psyche wieder. »So ein toller Job. Ich bin für so was nicht gescheit genug. Meine Rechtschreibung ist eine Katastrophe. Das ist das einzige, was ein bißchen blöd ist, ich weiß immer nicht, wie man Psyche schreibt.« Sie sah zur Küche hinüber. »Ich glaube, ich helfe Magnus jetzt mal mit dem Kaffee.«
Tom kam aus dem Pub zurück, die Arme voller Bierflaschen. Psyche schenkte den Kaffee aus. Romy, die sich an die schmutzverkrusteten Tassen erinnerte, nahm lieber ein Bier.
Magnus sagte: »Ich hab eine verdammt miese Woche hinter mir«, und eine zierliche Blonde mit goldenen Kreolen in den Ohren klopfte auf den freien Platz neben sich.
»Komm, quetsch dich hier noch mit rein, Magnus, Darling.«
»Beim New Statesman haben die meinen Artikel über die Bombe abgelehnt. Die hatten ganz einfach nicht den Schneid, ihn zu drucken.«
Die Blonde sagte tröstend: »Den schnappt sich bestimmt jemand anderer.«
»Meinst du, Susie?« Magnus machte ein finsteres Gesicht. »Die sind doch alle nicht mutig genug, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Redefreiheit? Daß ich nicht lache!«
Psyche sagte: »Wann kommt dein Roman raus, Magnus?«
»Im Sommer, vielleicht auch im Herbst.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber bewirken wird er sowieso nichts. Das meiste, was in diesem Land veröffentlicht wird, ist doch
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