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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Er küßte Romy zur Begrüßung auf die Wange und trat einen Schritt zurück. »Hallelujah!« rief er, während er sie anstarrte. »Wo sind denn die Dauerwelle und der Faltenrock geblieben?« Sie hatte Jeans an und einen blau-weiß gestreiften Pulli, beides in Paris gekauft. »Du schaust richtig burschikos aus«, fügte er beifällig hinzu. »Die Fingernägel haben ein bißchen was Schwindsüchtiges. Sehr sexy.« Er begann prompt auf einen Bierdeckel zu kritzeln.
    »Nichts da!« sagte Romy und zog den Bierdeckel weg.
    »Warum denn nicht? Sag mir, warum ich dich nicht zeichnen darf.«
    »Weil du mir bestimmt ein grünes Gesicht und viereckige Augen machst.«
    »Spielverderberin«, sagte er lächelnd. »Wie war Paris?«
    »Toll.«
    »Mirabel versucht, eine Frau von Welt aus dir zu machen. Ich habe ihr immer wieder gesagt, daß das reine Zeitverschwendung ist. Aus einem Bauernmädel kann man kein – aua!« Er hob den Bleistiftstummel auf, den sie nach ihm geworfen hatte. »Genau das meine ich.«
    Jake machte Romy mit der Frau an seiner Seite bekannt. Camille war bleich und schön und düster; sie trug ein schwarzes Satinkleid und schwarze hochhackige Schuhe mit Knöchelriemchen. Sie nahm Romy mit einer kaum merklichen Neigung ihres Kopfes zur Kenntnis.
    Jemand tippte Romy auf die Schulter. Als sie sich umdrehte, sah sie den blonden Jungen mit den blauen Augen. »Ich würde Sie gern zu einem Drink einladen«, sagte er.
    »Aber ich habe das Bier doch über Sie ausgekippt.«
    »Wenn Sie es nicht getan hätten«, erklärte er ernsthaft, »hätte ich den ganzen Abend rumgestanden und versucht, mir einen Vorwand auszudenken, um Sie anzusprechen. Sie sehen also, es war gut so. Schicksal vielleicht. Bestimmung.«
    Sie setzten sich, eingezwängt zwischen abgelegten Mänteln und Aschenbechern, aufs Fensterbrett, den einzigen noch freien Platz in der Kneipe. Draußen legte feiner Regen einen Glanz auf die Straßen, in dem sich die Lichter der Autos spiegelten. Er stellte sich vor. Sein Name war Tom Barnes. Er versuchte nicht, die Bewunderung in seinen Augen zu verbergen, wenn er sie ansah.
    Er erzählte ihr, daß er aus Preston in Lancashire stammte und nach seiner Militärzeit im Möbelgeschäft seines Vaters gearbeitet hatte. »Es war vernichtend«, sagte er. »Jeden Tag das gleiche, wahnsinnig langweilig. So schlimm wie beim Militär. Kurz und gut, eines Tages mußte ich nach London, um was zu liefern, und da habe ich Magnus Quenby kennengelernt. Magnus schreibt gerade an einem Roman. Wie ich übrigens auch. Aber er ist fast fertig und hat auch schon einen Verleger gefunden. Er ist wirklich ein Genie. Er hat mich nach Soho mitgenommen. Es war wie eine Befreiung! Hier tut jeder, was er will, und kümmert sich einen Dreck darum, was die anderen von ihm denken. Und es ist immer was los. Tag und Nacht. Das ist was anderes als Preston. Dort werden nach sechs Uhr die Bürgersteige hochgeklappt. Na ja, da bin ich einfach geblieben und gar nicht mehr nach Hause gefahren. Ich wußte, ich würde langsam verkümmern, wenn ich dort bliebe. Irgendwann muß man einfach die Nabelschnur durchschneiden, finden Sie nicht auch?«
    Er sprach mit einem weichen nordenglischen Akzent. Es hätte sie interessiert, ob er Heimweh hatte.
    »Ich habe eine Einzimmerwohnung in Kentish Town«, erzählte er weiter. »Es ist nichts Tolles, aber mir reicht sie. Besitz belastet nur. Immer alles haben zu wollen, das quält einen nur. Besitz frißt einen auf.«
    Sie dachte an all die Dinge, die sie sich wünschte – Kleider und Auslandsreisen, ein schönes Haus mit schönen Möbeln und Teppichen und einem Kühlschrank, und sagte aufrichtig: »So habe ich das noch nie betrachtet. Ich wollte mein Leben lang irgendwas haben.«
    »Die Freiheit ist das Wichtigste, meinen Sie nicht?« sagte er leidenschaftlich.
    Sie fragte ihn nach seinem Roman. Seufzend beugte er sich vor und fuhr sich mit der Hand durch das unordentliche Haar. »Also, es soll die Entdeckungsreise eines jungen Mannes sein, aber ich sitze jetzt schon drei Monate dran und hab bis jetzt nur drei Kapitel geschrieben. Der Held hat keine Arbeit und ist nicht verheiratet, weil er sich von den Konventionen losgesagt hat, folglich tut er die meiste Zeit nichts, und es ist ganz schön schwierig, über jemanden zu schreiben, der absolut gar nichts tut. Es geht ganz gut, wenn er sich mit anderen Menschen unterhält. Dialoge schreibe ich gern, aber ich hasse Beschreibungen. Die werden immer ganz fürchterlich. So

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