Das Erbe des Vaters
Gartenverwaltung der Stadt Reading Blumentöpfe gereinigt und Rabatten mit blauem Salbei und roten Begonien angepflanzt. Dann war er ein Jahr lang bei einer Baumschule in Earley angestellt gewesen, wo er sich ein nahezu enzyklopädisches Wissen über Pflanzen aller Art angeeignet hatte. Vor einigen Monaten nun hatte er bei einem Mann namens Freddie Bartlett angefangen. Freddie besaß eine Firma für Gartenplanung und -instandhaltung. Er war ein gutherziger, etwas zerstreuter und unordentlicher Mensch, der Caleb sofort sympathisch gewesen war. In seinem Büro herrschte das pure Chaos, aber seine Gärten hatten ein altmodisch romantisches Flair reinster englischer Art, das Caleb begeisterte und ihn wieder daran erinnerte, warum er einen sauberen Bürojob mit geregelten Arbeitszeiten für die schmutzige und weit weniger angesehene Arbeit eines Gärtners aufgegeben hatte.
Vergessen waren die akkuraten Arrangements von Steinkraut und Lobelien, Geranien und Salbei, die bei der Parkverwaltung so beliebt gewesen waren. Freddie säte Seen aus blauem Flachs unter die Rosen in einem architektonischen Garten und überzog alte Backsteinmauern mit Glyzinien und Clematis. In Freddies Gärten gab es keine scharfen Kanten oder spitzen Ecken. Dem ungeschulten Auge zeigten sie sich als herrliche Produkte des Zufalls, als ein glückliches Zusammentreffen von Form und Farbe. Aber Caleb wußte, wieviel Arbeit in dieser gefälligen scheinbaren Planlosigkeit steckte; was da an Überlegung und Bedacht und harter körperlicher Arbeit notwendig war.
Calebs Arbeitstage waren lang. Er hatte Schwielen an den Händen und Muskeln wie ein Straßenarbeiter. Abends aß er mit Mrs. Talbot und ihrer Tochter Heidi und bereitete sich per Fernkurs auf seine Eignungsprüfung bei der Königlichen Gesellschaft für Hortikultur vor. Freddie war ein großzügiger Arbeitgeber, der Caleb bei kleineren Projekten, einer Blumenrabatte, dem Entwurf eines Seerosenteichs, gern freie Hand ließ. Die unumgängliche Routinearbeit des Umgrabens, Anpflanzens und Beschneidens der Pflanzen teilten sie sich.
»Man muß sich die Hände dreckig machen«, pflegte Freddie zu keuchen, ein ungewöhnlicher Anblick in riesigen Gummistiefeln und leuchtendgelbem Ölzeug, wenn sie Felsbrocken schleppten, um einen Steingarten anzulegen, oder tausend Quadratmeter Grund umgruben, auf denen im Krieg Kartoffeln gezogen worden waren und die jetzt in einen Ziergarten mit kunstvoll beschnittenen Büschen und Bäumen zurückverwandelt werden sollten. »Ich habe nicht das Gefühl, ein ordentliches Tagwerk geleistet zu haben, wenn ich mir nicht die Hände dreckig gemacht habe.«
Wenn das Wetter so schlecht war, daß die Arbeit im Freien unmöglich war, zeichneten sie Pläne und Entwürfe, gaben Bestellungen für Pflanzen und Samen auf, pflanzten in Freddies großem Gewächshaus Sämlinge und Setzlinge an. Vor kurzem hatte Caleb in einem unbesonnenen Moment den Vorschlag gemacht, Freddies Bücher durchzusehen. Aber Bücher waren das gar nicht: Freddies Buchführung bestand darin, daß er alle Belege und Rechnungen in mehrere staubige Gläser steckte, die auf einem Bord hinten im Geräteschuppen standen. »Bedienen Sie sich, mein Junge«, hatte Freddie gesagt, sichtlich gedrückt bei dem Gedanken an Addition und Subtraktion.
Jetzt, auf der Rückfahrt nach Middlemere, wünschte Caleb, er wäre in Freddies Schuppen, damit beschäftigt, all die zerknitterten Papiere zu glätten und fein säuberlich die Kostenrechnung aufzustellen. Er war durcheinander. Er konnte nicht verstehen, wieso er sich erboten hatte, mit Romy Cole Kontakt zu halten. Das alles von neuem durchzukauen – welcher Teufel hatte ihn da geritten? Irgendwelche völlig irrationalen Schuldgefühle? Eine eingebildete Verantwortung für das Unglück, das die Familie Cole vor Jahren erlebt hatte?
Er hatte ganz automatisch angehalten, als er am Nachmittag die winkende Gestalt am Straßenrand entdeckt hatte. Erst als er sich umgeschaut hatte, hatte er Romy erkannt. Die plötzliche Aufwallung von Groll, die er spürte, hatte ihn überrascht. Wohl ein Überbleibsel des gelungenen Treffens im Hotel vor zwei Jahren. Flüchtig hatte er daran gedacht, sie stehenzulassen und einfach weiterzufahren.
Aber das hatte er natürlich nicht getan. Auf den Groll war sofort etwas anderes gefolgt – Mitleid, vermutete er. Sie hatte so klein und hilflos gewirkt da draußen in Regen und Gewitter. Als sie sich neben ihn setzte, war sie nicht länger die
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