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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wütende Furie seiner Erinnerung, und er sah sie so, wie sie war: sehr jung, völlig durchgefroren und ziemlich verängstigt. Der Regen tropfte ihr von den Kleidern und aus dem Haar. Ihn überkam ein lächerlicher Impuls, ihre Hände zwischen die seinen zu nehmen, um sie zu wärmen.
    Außerdem hatte er es schon vor einiger Zeit geschafft, das Gespräch, das sie miteinander geführt hatten, von ihrem Standpunkt aus zu sehen. Er war unangemeldet im Trelawney aufgekreuzt und hatte sich äußerst taktlos in Angelegenheiten eingemischt, die sie schmerzen mußten. Er hätte ihr wenigstens vorher schreiben oder sie anrufen sollen. Aber er hatte nichts dergleichen getan, und in der Rückschau sagte er sich, daß ihre Wut an diesem Abend zum Teil wahrscheinlich auf Schock zurückzuführen war.
    Der Lieferwagen schwankte und wankte auf dem durchweichten Weg. Der Regen hatte nachgelassen, hinter den sich lichtenden Wolken kam hell glänzend die Sonne hervor. Hinter den Hügeln schimmerten Teile eines Regenbogens. Während Caleb den Hang hinunter nach Middlemere fuhr, stellte er sich eine viel jüngere Romy vor, die hier vielleicht im Stall gespielt hatte oder den Hügel hinuntergelaufen war. Und er dachte an ihre früheren Zusammentreffen und fand es seltsam, daß ihm nie aufgefallen war, wie hübsch sie war.
    »Ich habe ihn irgendwo hingelegt«, sagte Freddie. »Er muß irgendwo sein. Ah, da ist er ja!« Strahlend zog er einen Zettel aus dem Wust von Papier auf dem Fensterbrett.
    Die Papiere lagen auf dem Fensterbrett, weil auf dem Schreibtisch kein Platz war. Die übrigen Zimmer in Freddies Haus waren Heiligtümer der Ordnung, von Freddies tüchtiger Zugehfrau Mrs. Simpson gepflegt und gehegt. In sein Arbeitszimmer ließ Freddie die gute Mrs. Simpson nicht hinein.
    Jetzt setzte er seine Lesebrille auf und breitete den zerknitterten Zettel aus. »Mrs. Zbigniew.« Er buchstabierte den Namen. »Ich habe keine Ahnung, wie man das ausspricht. Ich habe sie Irena genannt. Sie hat in Hampstead ein hübsches kleines Haus mit einem grauenvollen kleinen Garten. Ich habe ihr versprochen, daß Sie sich darum kümmern und ihn in ein Paradies auf Erden verwandeln werden.«
    Caleb hockte auf der Armlehne eines Sessels. Die Sitzfläche war von Büchern, Papieren und Freddies King Charles Spaniel Oscar besetzt. »Ich?« fragte er überrascht.
    »Warum nicht? Ich fühle mich ziemlich ausgelaugt, wenn ich ehrlich sein soll. Peter und ich denken an einen kleinen Ausflug nach Südfrankreich. Nur für ein, zwei Wochen. Um die Batterien neu aufzuladen.« Peter war Freddies Freund, ehemals bei der Marine, so hager und dünn wie Freddie dick war.
    »Ich weiß nicht, ob ich so etwas schon ganz ohne Hilfe –«, begann Caleb.
    »Aber natürlich«, unterbrach ihn Freddie zuversichtlich. »Nichts Ambitiöses, keine Labyrinthe oder Kaskaden. Etwas Gefälliges. Sie ist eine nette Frau, sie wird Ihnen zusagen. Sie können gleich morgen mal reinfahren und alles ausmessen. Machen Sie mir eine Skizze, und ich seh sie mir an, bevor wir nach Antibes abdampfen.«
    Am folgenden Tag nahm Caleb einen frühen Zug nach London. Mrs. Zbigniew wohnte in einem Haus zwischen dem Untergrundbahnhof und dem Park von Hampstead Heath. Sie war klein und alt und reichte Caleb nicht einmal bis zur Schulter. Ihr Haus war mit farbenprächtigen Teppichen und Brücken sowie kunstvoll geschnitzten kleinen Schränken ausgestattet, und sie hatte mehrere Katzen, die auf Polstern zusammengerollt oder lang hingestreckt auf Sofas schliefen und ein funkelndes grünes Auge riskierten, als Caleb durch das Haus ging.
    Der Garten war, wie Freddie gesagt hatte, eine Katastrophe. Gleich an der Hintertür standen noch die bröckelnden Überreste eines Luftschutzbunkers mit eingestürztem Dach und von Regenwasser überschwemmtem Boden. Im Gewächshaus gab es nicht eine heile Glasscheibe, und die Hälfte des kleinen Gartens war einem Versuch geopfert worden, Gemüse und Kräuter zu ziehen. Verdorbene Zwiebeln ragten staksig zwischen verrottenden Pappkartons empor; Salatköpfe, deren Blätter von Raupen zu filigranem Aderwerk abgeknabbert waren, wuchsen neben den rußigen Resten eines offenen Feuers.
    Mrs. Zbigniew faßte Caleb am Ärmel. »Schrecklich, nicht wahr? Aber Sie machen ihn mir wieder schön, ja?«
    Den ganzen Tag nahm er Maße, machte sich Skizzen, prüfte, ob von den vorhandenen Pflanzen welche beibehalten werden konnten. Verschiedene Efeuarten kletterten an den Wänden hinauf, in

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