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Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Kirchen
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nicht, dass ich es habe. Er will, dass ich einen Sonntagsausflug in den Stollen unternehme, um ihm sein verdammtes Buch zu holen.
    „Sind sie wahnsinnig?“ Eine unnötige Frage, da sie wusste, dass er verrückt war.
    „Sie wissen, wie wichtig es für mich ist …“, erwiderte Schönemann, „ich habe nur gehofft, sie würden meinen Wunsch verstehen … und mir diesen Gefallen erweisen.“
    „Belästigen Sie mich nie wieder“, presste Anne aus fast geschlossenen Lippen hervor. Sie legte auf. Eine Weile beäugte sie abwartend das Telefon, als läge eine Grüne Mamba auf ihrem Schreibtisch. Aber die Schlange klingelte nicht mehr.
    Anne wandte sich wieder ihrem Grafikprogramm zu, an Konzentration war jedoch nicht zu denken. Gott sei Dank, dachte sie, ist gleich Feierabend.
    Dieses dämliche Tagebuch!
    Sie hatte es an sich genommen, damals in der Höhle. Ein paar Mal durchgeblättert, aber kein Wort entziffern können. Eigentlich hatte sie es Dr. Mezza geben wollen, zum Übersetzen, da er sich sicher über diese neue Herausforderung gefreut hätte. Mit Begeisterung hatte er damals schon die alten Besitzurkunden übersetzt.
    Aber dann hatte sie kalte Füße bekommen. Ein fremdes Tagebuch geht mich nichts an, auch wenn es fast 400 Jahre alt ist, hatte sie überlegt. Sie wollte mit dieser Geschichte überhaupt nichts mehr zu tun haben.
    Sie hatte es nicht zu Dr. Mezza gebracht. Es schlief einen ruhigen Schlaf des Vergessens in ihrer untersten Schreibtischschublade.
    Was soll ich jetzt machen? Den Anruf einfach ignorieren? Es ist sein Buch, dachte sie. Sie hatte es zu Unrecht an sich genommen. Hätte ich es doch nur im Staub des Stollens liegen lassen!
     

Kapitel 10
     
    Er hatte die Augen geschlossen. Hinter den Lidern war die Welt lebendig und bunt.
    Er stellte sich seine Geliebte vor. Wie sie in ihrem zarten Nachthemd aus durchscheinender Seide am Toilettentisch saß. Vor ihr die Schüssel mit lauwarmem Wasser. Es duftete nach Rosen. Schwer und süß, üppige rote Rosen. Keine neumodische, genveränderte Züchtung aus einem Treibhaus. Nein, wahr und gut. Sie hatte das Wasser aus dem Krug in die Schüssel gegeben. Langsam und sachte, damit kein Tropfen verspritzen würde auf ihr weiches Gewand.
    Er schmunzelte. In seiner Vorstellung bürstete sie ihr volles und lockiges Haar. Gülden glänzend, fast wie Honig und sicherlich ebenso süß. Gleich würde sie zu ihm kommen.
    Ein ungeduldiges Räuspern erschreckte ihn. Das war nicht ihr Lachen. Verwirrt öffnete er die Augen und blickte in die düstere und graue Wirklichkeit. Er schaute die verhasste Decke des Raumes an. Schmutzig gelb gestrichen. Wie oft schon war sein Blick auf diesen abscheulichen Himmel gerichtet gewesen? 100 Mal? 1000 Mal?
    Zu oft. Das Geld zum Fenster rausgeschmissen. Er würde es nun bald selbst in die Hand nehmen. Er würde erreichen, was sein Herz verlangte, endlich glücklich werden. Er würde es schaffen. Ohne diesen Scharlatan. Mühsam richtete er sich auf und rieb sich die Augen. Hinter ihm saß sein Therapeut. Wie immer mit seiner unmöglichen Frisur. Lange Haare, übrig geblieben aus der Hippiezeit, jetzt grau und lächerlich. Das Klemmbrett wie gewöhnlich auf dem Schoss. Der Mann kritzelte irgendetwas in seiner unleserlichen Schrift auf das geduldige Papier.
    Endlich sah er auf. „Wo waren Sie?“
    Blöde Frage, hier auf deiner dämlichen Couch! „Ich war dort, wo ich hinzugehen gedenke“, antwortete er. „Ich weiß nun, was mir fehlt … ich …“
    „Lassen Sie mich daran teilhaben?“ Der Therapeut lächelte sein einstudiertes Lächeln. Aber noch war es zu früh. Noch konnte er sich nicht lossagen von ihm. Er hatte zu viel Angst. Was, wenn etwas schiefgeht? Es ist bereits etwas schiefgegangen. Aber Rückschläge gab es immer. Ich darf mich davon nicht beirren lassen. Ich muss nur eisern mein Ziel verfolgen. Langsam setzte er sich auf. Verstohlen lächelte er den Therapeuten an. „Wissen Sie, ich habe eine Frau gefunden … wir werden heiraten.“
    Der Therapeut nahm seine Brille ab. „Oh, das ist ja wunderbar!“, rief er aus. „Wann haben Sie sich kennengelernt?“
    „Schon eine Weile her … warten Sie … ja, es ist schon eine Weile her. Sie ist Werbekauffrau. Eine Familie ist doch das Wichtigste.“
    „Genau das, was Ihnen immer gefehlt hat. Wie stellen Sie es sich vor? Was löst der Gedanke an Ihre Partnerschaft in Ihnen aus?“
    Der Mann überlegte. „Ich weiß nicht so recht …“ Dann lächelte er. „Wärme,

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