Das Erbe des Zitronenkraemers
11
„Jutta, das ist der pure Wahnsinn!“ Michael war außer sich vor Freude. Er strahlte seine Freundin an. Michael, ehemals Hauptverdächtigter von Anne, Praktikant in der Stadtbibliothek und damit sozusagen Juttas Kollege, Student der Altphilologie und nach vielem Hin und Her nun auch noch mit Annes bester Freundin Jutta liiert, freute sich augenscheinlich wie ein Schneekönig. Seine sonst eher gräulich blasse Gesichtsfarbe strahlte nun den Teint einer sogenannten weißen Tomatenschaumsuppe aus.
„Am 2. Juni 2007 geht’s los!“ Mit diesen Worten fuchtelte er aufgeregt mit seinem eben geöffneten Brief vor Juttas Gesicht herum, sodass ihr fast schwindelig wurde. Dann kratzte er sich gedankenverloren den mehr oder weniger wild sprießenden Stoppelbart. „Für mich natürlich früher …“, murmelte er geschäftstüchtig, „schließlich helfe ich ja bereits bei den Vorbereitungen – nicht erst bei den Führungen.“
Er hatte den Job. Michael würde mitwirken bei der Kaiser-Konstantin-Ausstellung in Trier.
„Ich interessiere mich ja auch sehr für Geschichte, nur verstehe ich nicht, warum ausgerechnet um diesen Konstantin so ein Wirbel gemacht wird“, meinte Jutta nachdenklich.
„Mensch, Jutta, Konstantin war einer der bedeutendsten Herrscher des römischen Reiches! Und er, der große Kaiser, lebte während seiner Cäsaren-Zeit hier bei uns in Trier und hat das Christentum im römischen Reich etabliert. Na, wenn das mal kein Grund ist, ihm zu Ehren hier eine Ausstellung auf die Beine zu stellen“, ereiferte sich Michael.
Und wie man sich das ganze Brimborium denn nun vorzustellen hätte, wollte Jutta wissen, nun doch von aufkeimender Neugier getrieben.
Michael wusste stolz zu berichten, dass wohl etwa 1400 Exponate präsentiert werden sollten, ausgewählt und zusammengestellt aus 160 Museen aus über 20 Ländern der Welt. „Ein geradezu wahnsinniger logistischer Aufwand“, sinnierte er versonnen.
„Drei unserer Museen teilen sich diese Aufgabe und unterteilen die Konstantin-Ausstellung in verschiedene Themenbereiche: Das Städtische Museum Simeonstift zeigt Gemälde, Ikonen und Zeichnungen, die unter anderem als Beweis gelten sollen, dass das Christentum unter Konstantin einen nie da gewesenen Aufstieg erleben durfte und eine bis dahin ungeahnte Macht entfalten konnte. Außerdem wird in diesem Teil der Ausstellung auf den Einfluss Konstantins auf andere Herrscher seiner Zeit eingegangen sowie auf seine nachhaltigen Auswirkungen auf spätere Generationen.
Das Ganze wird übrigens unter dem Titel Tradition und Mythos thematisiert“, referierte Michael stolz. „Im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum dagegen wird unter dem Thema Der Kaiser und die Christen noch konkreter auf die Förderung des Christentums durch Konstantin eingegangen. Christliche Bräuche und Symbole lösten ja zunehmend die heidnischen Kultgegenstände ab, und die wurden dann anhand von Malereien, Sarkophagen oder Schmuck dargestellt.“
Michael richtete sich nun zu voller Größe auf und schwellte seine ansonsten mickrige Hühnerbrust. „Aber mein Arbeitsplatz wird das Rheinische Landesmuseum sein. Herrscher des römischen Imperiums, so heißt meine Ausstellung!
Marmorskulpturen, Waffen, antike Schmuckgegenstände und last but not least eine drei Meter große Nachbildung der antiken Konstantinstatue werden wir den Besuchern bieten!“
„Nun mach aber mal halblang“, holte Jutta ihren Freund unsanft von seiner rosa Wolke runter. Was ist das denn für ein Job, den du dabei übernehmen sollst? Sie schaute ihn neckisch an. „Chefaussteller? Hauptorganisator? Schirmherr?“
„Nö, Schirmherr ist unser Bundespräsident Horst Köhler, ich bin, na ja, Praktikant und Mädchen für alles eben.“
Kapitel 12
Anne war erleichtert, als sie die Wohnungstür hinter sich zumachen konnte. Hannes lag auf dem Sofa und schlief. Müde hing sie ihre Tasche und ihren Mantel an die Garderobe. Von dem Geräusch aufgeweckt schlug Hannes die Augen auf und blinzelte. „Hey.“ Anne gab ihm einen Kuss. „Schatz, ich werde verrückt!“
Hannes hatte sich aufgesetzt. „Hallo erst mal!“ Er nahm sie in seine Arme. „Quatsch, wie kommst du darauf, was ist passiert“?
Anne seufzte. „Ich hab’ Verfolgungswahn. Ich hatte schon wieder dieses Gefühl, dass mir jemand hinterherschleicht. Den ganzen Weg. Von der Agentur bis hierher.“
Hannes strich ihr eine Locke aus dem Gesicht. „Weißt du, das ist ganz normal. Ich
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