Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
in der Dunkelheit gehabt. Auch konnte er an den Geschichten aus alter Zeit, die er sich damals von seinen Lehrern oft anhören musste, keinen Gefallen finden. Denn nie gab es für ihn so etwas wie einen Beweis, dass etwas daran wahr sein konnte.
Er war auch fest davon überzeugt, dass lange Vergangenes keinen großen Einfluss mehr auf die Zukunft oder das Handeln der Menschen haben konnte. Nie verstand er deshalb, warum die Schwarzenberg er Feinde der Hirrländer oder der Lindaner sein sollten. Denn auch der Zwist, der angeblich diesen Feindschaften zugrunde lag, war ein Relikt aus dunkler Vergangenheit. Sein Vater schien jedoch lieber alte Feindschaften zu pflegen, als neue Freundschaften zu schließen. Er schaute zu dem Verstorbenen hinunter. Nein, dieses Urteil über ihn war ungerecht. Sein Vater hatte immer nur das Beste für die Bewohner von Schwarzenberg gewollt und unter seiner Herrschaft herrschte immer Frieden im Lande.
Ingold, der Kastellan, durchbrach die Stille von Turgos Gedanken mit einem Räuspern. Dann bat er Turgos, die Vorbereitungen für die Totenwache des Barons treffen zu dürfen. Turgos nickte ihm zu und legte seine Hand auf die Brust seines Vaters. Er sah den Verstorbenen noch einmal lange an und verließ dann das Zimmer.
Die Anyanar folgten ihm. Beim Hinausgehen befahl Turgos Nerija, ihm eine Erklärung zu dem gerade Vorgefallenen zu geben. Nach einigen weiteren Schritten entschied er jedoch, dass er diese Erklärung zu barsch eingefordert hatte, blieb stehen und drehte sich zu den beiden Frauen um, die ihm in einigem Abstand folgten.
» Entschuldigt, hohe Kanzlerin, ich habe mich im Wort vergriffen. Es wäre mir eine große Freude und Ehre, wenn Ihr mir mehr über das Erscheinen des … äh … Geistes erzählen könntet.«
Nerija lächelte ihn an und entgegnete »Gerne will ich dir berichten, was ich darüber weiß.«
Turgos bat die Frauen, ihm in den großen Saal der Burg zu folgen. Auf dem weiten Weg dorthin kamen sie an einigen Wachen vorbei, die zum Zeichen des Salutes ihre Speere an die Brust zogen.
Eine Geschichte aus alter Zeit
B urg von Schwarzenberg, 26. Tag des 6. Monats 2513
Als sie den großen Saal, in dem die meisten Amtsgeschäfte der Baronie getätigt wurden, erreichten, befahl der neue Baron, dass alle anwesenden Untertanen diesen verlassen sollten. Diesem Befehl wurde umgehend Folge geleistet, wenn auch viele verwundert zu Turgos und den Anyanar hinsahen.
Hier im großen Saal wusste noch niemand, dass der alte Baron verstorben war. Doch die meisten ahnten es , denn sie wussten, dass Turgos am Bette seines Vaters gewacht hatte. Sein Erscheinen konnte nur den Tod des alten Barons bedeuten. Im Hinausgehen sahen sich manche darin bestätigt, als sie bemerkten, dass Turgos sich auf den Thron setzte, am Kopfende des großen Saales. Dieser Platz stand einzig und allein dem Herrn über die Baronie von Schwarzenberg zu.
Als Turgos mit Nerija und Valralka alleine war, bat er die Kanzlerin, ihm zu erzählen, was sie über die Erscheinung im Sterbezimmer wusste. Inzwischen nagten große Zweifel an ihm. Waren die alten Geschichten vielleicht doch wahr, die er immer als Ammenmärchen abgetan hatte? Oder hatten ihm nur seine Sinne einen Streich gespielt? Doch sowenig er an die alten Geschichten glauben wollte, so sehr war er sich dessen sicher, was er vor kurzer Zeit mit eigenen Augen gesehen hatte.
Nerija, die um den Unglauben der Menschen über ihre eigene Vergangenheit wusste, suchte nach den richtigen Worten. Sie wollte nicht, dass sich ihre Erzählungen für den neuen Baron wie Fantastereien anhörten. Zweifellos würde er versuchen, sie ins Reich der Fantasie zu verweisen, sollte er sie nicht begreifen wollen oder können. Sie entschloss sich, nichts über die Thainlande und das alte Reich von Fengol als solches zu sagen. Denn wenn sie zu sehr Bezug auf das Heute nähme, so schwante ihr, würde der Baron dies wirklich als Märchen abtun.
Nerija war sich auch bewusst darüber, dass das heute Geschehene eine größere Bedeutung haben musste, als sich ihr momentan erschloss. Ililith war nicht umsonst erschienen, dessen war sich sicher. Aber welchen Grund dies haben mochte, wusste sie nicht zu sagen. Ililith stand für die Hoffnung der Gerechten, weshalb ihr Erscheinen ein gutes Zeichen war. Nerija glaubte sogar, dass es etwas damit zu tun hatte, dass sie und Valralka beim Tode des Barons anwesend waren. Vielleicht war das sogar der wichtigste Grund. Sobald sie dem Baron
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