Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Richtern, also den höchsten Würdenträgern der Nerolianer, direkt nach seiner Wahl vor den dunklen Sithar in Kalamrauhn an den Tarumordas, wo sie ihren Sitz hatten, erscheinen musste. Allein der Anblick von Scheitanas, Taratos, Melilith und Asmordus ließ jeden Widerstandsgeist der Nerolianer absurd erscheinen. Wenn sie deren Macht erkannten, waren sie geläutert und kämpften treu an der Seite von Sharandir. Denn wer oder was war Nerol im Vergleich zur Allgewalt dieser dunklen Fürsten, die von ihrem Gott Uluzefar selbst erschaffen worden waren?
Der Palast der Vanäer
Tharvanäa, Palast von Maladan,
19. Tag des 1. Monats 2514
Die Stimmung in der Hauptstadt Maladans war gedrückt. Noch immer trauerten die Anyanar um ihre Lieben, die sie im letzten Jahr zusammen mit ihrem Herrscherpaar im Haig verloren hatten.
Auch auf dem Weg in die Hauptstadt des Reiches hatte das meiste Volk, das Eilirond und seine Kundigen antrafen, schon von der schlechten Nachricht gehört gehabt. Wie es im Süden des Reiches aussah, wollte der Großmeister daher lieber nicht wissen. Die meisten der Gefallenen stammten aus den südlichen Lehen.
Eilirond stand am Fenster seines Gemaches im Palast von Tharvanäa und sah hinunter in die Stadt. Der Palast, den Vanadir einst erbauen ließ, war nun schon fast 2.500 Jahre alt. Nichts konnte bisher seine Grundfeste erschüttern. Eilirond erinnerte sich noch gut an jenen Tag im Jahre 3 nach der Zeitrechnung Vanafelgars, als Vanadir diesen Ort für den Bau seiner Hauptstadt erwählt hatte. Der Kraterfelsen, wie der Standort des einige Jahre später begonnenen Schlosses genannt wurde, drängte sich hierzu gerade auf. Der Kraterfelsen war ein riesiger Fels, der in einem Krater lag, den in alter Zeit ein Meteorit geschlagen haben musste. Oder die Mächte selbst hatten hier Hand angelegt. Der Krater maß gut eine halbe Meile im Durchmesser und der Felsen war nur wenig kleiner. Wenn man ihn aus der Ferne betrachtete, hatte es sogar den Anschein, als würden seine Ränder den Kraterrand berühren.
Es hatte viele Jahre gedauert, bis der Felsen an seiner oberen Fläche so bearbeitet war, dass darauf mit dem Bau des Palastes begonnen werden konnte. Das Gestein, aus dem er bestand, hatte sich durch seine Härte den Meißeln seiner Bändiger widersetzt.
Eilirond sah zur Brücke hinunter. Dort war nicht so viel los wie in früheren Jahren. Die Brücke war herrlich anzusehen, wenn man sie von unten betrachtete. Sie ging von einem großen Torbogen, der den Durchbruch am Kraterrand markierte, bis zum Felsen selbst und wurde auf ihrem Weg dorthin von drei Pfeilern getragen. Drei Pferdewagen nebeneinander hatten auf ihr Platz. Aber in diesen Tagen kamen nur noch wenige Wagen in den Palast. Auch große Feste wurden nicht mehr gefeiert, die viel an Nahrung und anderen Waren erforderten. Die Garnison des Palastes war von einstmals zehn auf zwei Bataillone geschrumpft, die meisten Männer der königlichen Garde waren über die Jahre im Haig gefallen. An Bediensteten, die ausschließlich dem Wohle des Herrschers und der Unterhaltung des Palastes dienten, gab es vielleicht gerade noch hundert, und diese hielten den Palast mehr schlecht als recht in Ordnung. Dies war ihm auch überall anzusehen. Unaufhörlich wirkte ein langsamer Verfall.
Eilirond sah, dass an der Außenfassade bereits einige Stücke der Verkleidung aus Bergkristall abgefallen waren. Diese Verkleidung gab dem Palast auch seinen Namen: der Kristallpalast. Im weißen Gebirge, das nur wenige Meilen hinter dem Palast in die Höhe zu steigen begann, gab es Bergkristalle in Hülle und Fülle.
Eilirond erinnerte sich noch gut daran, wie König Vanadir sich gegen diese Art der Verkleidung seines Palastes gewehrt hatte, als die Baumeister sie ihm vorschlugen. Solcher Prunk war ihm peinlich gewesen, er hätte lieber den weißen Marmor aus Walodan benutzt. Doch alles Volk wollte den Bergkristall und Vanadir gab dem Volk schließlich, was es begehrte. Der Palast des Königs und die Hauptstadt Tharvanäa, was Sitz der Vanäer bedeutet, sollte als leuchtendes Vorbild und Zentrum des Reiches von Maladan alle anderen Städte bei Weitem übertreffen.
Auch Eilirond hatte dem König geraten, ein Bauwerk zu schaffen, das seinesgleichen suchte. Denn er war damals der Überzeugung gewesen, dass nach dem Verlust ihrer alten Heimat und ihrer Hauptstadt Solatwan nun ein neues Zentrum des Lebens der Anyanar und Menschen hier in Vanafelgar geschaffen werden
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