Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
dort die Königswahl abgehalten wurde. Er unterlag Vanadir. Doch niemand außer den von den Sithar erschaffenen Wesen, die fast so alt waren wie er selbst, wusste das noch. Und hätte ihn jemand daran erinnert, wäre die Konsequenz der sichere Tod für den Betreffenden gewesen.
Sharandir war von hoher Geburt, denn er war der jüngste Sohn von Jurandir, dem ersten König der Anyanar auf Alatha. Und die Hohen Mächte selbst hatten diesen vor allen anderen seines Volkes mit diesem Titel ausgezeichnet. Die Völker Ilvaleriens jedoch erkannten sein Geburtsrecht, wie er es nannte, nie an. Im Gegenteil, sie sprachen es ihm gar ab. Sie meinten, er habe es verwirkt, als er die Hand gegen seine Brüder erhob.
Sharandir sah nun zu den beiden Gestalten im Dunkel der großen Halle hinüber. »Ihr könnt gehen«, wies er sie an. »Doch haltet Euch bereit, es gibt bald viel zu tun.«
Wortlos verließen Hardos, der der Verderber der Lichter genannt wurde, und Taniah, die Seuchenbringerin und Gifthexe, den Thronsaal durch die große Haupttüre. Die Aura von Hardos war derart furchterregend, dass die Ugri, die dort Wache hielten, erschrocken vor ihm zurückwichen.
Sharandir stieg nun hinauf auf seinen Thron. Als er die sieben Stufen hinter sich gebracht hatte, setzte er sich schwer in den Thronsessel, denn seine alten Wunden schmerzten ihn manches Mal. Gerade jetzt war einer dieser Momente gekommen. Dies ärgerte ihn maßlos, denn er wollte seinen erneuten Sieg über das Haus Vanadirs noch weiter genießen. Die Leichen des Königspaares von Maladan, so beschloss er, sollten weiter dort vor ihm liegen bleiben, bis sie wieder auftauten. Er wollte den Geruch des Todes, den sie dann verströmen würden, gewahr werden. Erst danach sollten sie in die Gruft geworfen werden.
Was Sharandir nicht wusste: Seine Untergebenen in Ulutar nannten ihn den Herrscher auf dem Knochenthron, da die Gruft mittlerweile schon fast zur Hälfte mit den Gebeinen seiner Feinde gefüllt war. Hätte Sharandir davon gewusst, dann wäre er aus Zorn darüber zu schrecklichen Gräueln gegenüber den Nird und Ugri seines Hofstaates getrieben worden. Aber niemand würde es ihm sagen. Denn auch der Überbringer dieser Nachricht müsste Schlimmeres erleiden als den Tod.
Sharandir fragte sich oft, was aus den Versprechungen Uluzefars geworden war. Hätte nach dessen Worten nicht er die Völker heim in den Schoß der Mächte führen sollen? Und hätte nicht er dann von den dankbaren Mächten die Würde eines Hochkönigs empfangen sollen, der über die anderen Könige gebietet? Nichts davon war eingetreten. Sharandir war zwar fest davon überzeugt, dass er auserwählt war, über alle Völker zu herrschen. Doch wie sollte er sie, nun, da sie in fernen Landen weilten, wieder nach Alatha führen? Dorthin gab es für ihn keinen bekannten Weg zurück. Der, den sie bis hierher genommen hatten, war eingestürzt und unpassierbar geworden, nachdem der Varakuul ihn als Letzter beschritten hatte.
Erlikas, der Varakuul, oft musste er an ihn denken. Könnte er dessen Feuer bändigen, so bräuchte er nicht die Nird und Ugri, auch nicht die Kleinzwerge und schwachen Menschen, die ihm dienten, um sein Recht gegen die Völker Vanafelgars durchzusetzen. Doch der Varakuul war nicht zu beherrschen, noch nicht. Die Sithar Uluzefars bewachten ihn weit im Osten seiner Lande. Sharandir war sehr froh darüber. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass Erlikas auch ihn vernichtete. Dies lag an dem Fluch der weißen Mächte, der auf ihm ruhte. Sharandir war sich sicher, dass ihm, wie es Uluzefar einst erklärte, dieser auferlegt war, um ihn ständig daran zu gemahnen, die Völker nach Hause zu führen. Seine Herrschaft sollte nicht hier in dieser Welt, fern von Alatha, länger andauern als notwendig.
Sharandir war noch niemals in Vanafelgar gewesen. Er hatte auch nie die große Wüste durchschritten, durch die der Karion in die Lande seiner Feinde floss. Die dunklen Sithar hatten ihn immer davon abgehalten, sich in Gefahr zu begeben. In den Feuerlichtern aus alten Tagen hatte er sich früher die Welt der Völker und ihre Städte oft angesehen. Aber dies tat er nun schon seit eintausend Jahren nicht mehr, weil es ihn maßlos ärgerte, wie rückständig sein Reich im Vergleich zu jenen Vanafelgars war.
Doch die Stunde, in der alles in dieser Welt ihm gehören würde, rückte unaufhaltsam näher. Er musste den dunklen Sithar zugestehen, dass die Zermürbungstaktik, die sie ihm nahegelegt hatten, schon
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