Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
gezogen wurden. Die Kinder wollten sich beim Ziehen der nur drei Schritte langen Wagen abwechseln. Da sie über zwei große Räder verfügten, ließen sie sich leer gut ziehen, wenn auch der Schneematsch auf der Straße das Gehen nicht gerade einfacher machte. Wenn sie die Straße verlassen würden, um ins offene Gelände zu gehen, das zu den Wäldern vor den Schwarzen Bergen führte, sollten die Männer von Elgar den dann beschwerlicheren Weg übernehmen. In offenem, unbefestigtem Gelände waren die Handwagen weitaus schwerer zu ziehen. Tankrond vernahm das Keuchen Arumars hinter sich. Dieser musste nicht nur den Wagen ziehen, sondern auch noch seine Leibesfülle den leicht ansteigenden Weg emporschleppen. Tankrond wusste genau, dass es seinem Vetter schwerfiel, so lange und ohne Pause hangaufwärts zu gehen. Auch ohne den Wagen, den er zog, hätte er sicher schon eine Pause eingelegt, wenn er alleine gewesen wäre. Doch vor allen anderen würde er sich dies niemals eingestehen. Ferlon, das wusste Tankrond, war stark. Er würde im Herbst dieses Jahres auch mit seinem Vater in die Welt hinaussegeln, um die Kunst des Handelns zu erlernen und vieles andere mehr. Tankrond wünschte sich, dass auch er mit Elgar nach Maladan fahren durfte. Doch Nimara hatte ihm gesagt, dass dies nicht für ihn vorgesehen war. Erst wenn Ferlon wieder zurückgekehrt war, sei er an der Reihe, hatte sie beschieden. Ferlon war nun einmal ein Jahr älter als er und so hätte er das Anrecht, vor Tankrond in die Welt hinauszufahren. Tankrond war sehr ungehalten darüber. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er Nimara offen widersprochen hatte. Sie war mehr verwundert als verärgert über ihren Neffen gewesen. Tankrond, so schien es ihr, war in eine Art Lethargie gefallen. Er erfüllte zwar seine Aufgaben, die ihm zugedacht waren, mit dem nötigen Ernst und war darin sehr gewissenhaft. Doch das war es dann auch schon. Selten begann er von sich aus ein Gespräch. Wenn man ihn etwas fragte, bekam man kurze, aber treffende Antworten. Nimara wusste, dass diese nur ein weiteres Nachfragen verhindern sollten. Sie hatte mit Fenja über den Gemütszustand von Tankrond gesprochen. Ihr war, als habe diese immer einen guten Zugang zu dem Jungen. Fenja hatte ihr gesagt, dass sie die Vermutung habe, dass Tankrond liebeskrank sei. Doch sie wisse nicht, wer seine Angebetete sei. Diese Worte sprach sie so zögerlich und holpernd, dass es Nimara sofort auffiel. Sie fragte Fenja jedoch nicht weiter darüber aus und ließ es gut sein. Denn wenn es weiter nichts war als eine unerfüllte Liebelei, die den Jungen plagte, dann wollte sie auch nicht unnötig darin herumbohren. Sie wusste, dass dies zu schlimmen Diskussionen und vergifteter Stimmung führen würde, sollte er sich angegriffen fühlen. Sie selbst war mit vier älteren Brüdern aufgewachsen und wusste, wie junge Männer sein konnten, wenn sie nicht das bekamen, was sie sich wünschten. Der Friede in ihrem Heim war ihr wichtiger als die Erkenntnis, an wen der junge Tankrond wohl sein Herz verloren hatte. Die Zeit würde diese Wunde bei ihm heilen lassen.
Fenja jedoch war traurig über den Zustand Tankronds. Mit ihr sprach er zwar mehr als mit den anderen. Doch auch das hatte nachgelassen, er schien ihr zu verbittern. Da sie die Einzige war, die von seiner Freundschaft zur jetzigen Königin von Maladan wusste, fiel es ihr immer schwerer, dieses Wissen für sich zu behalten. Sie wunderte sich sogar sehr darüber, wie klein die Welt geworden zu sein schien. Das Schicksal fremder Königshäuser betraf nun sogar ihre Familie, das gab ihr doch irgendwie zu denken. Fenja war schon immer zu weiteren Gedankengängen fähig gewesen als Gleichaltrige. Deshalb war sie auch immer an der Freundschaft Tankronds interessiert gewesen, der ihren Ausführungen meist folgen und sie sogar noch bereichern konnte. Die Gespräche mit ihm wurden jedoch seit der Sache mit der Königin immer seltener und ihr Cousin war nicht mehr so wie früher allem aufgeschlossen. Vieles empfand er als banal. Nur wenn ihn etwas interessierte, konnte er ihr eine Weile zuhören, aber er ging immer weniger auf ihre Worte ein. Oft merkte sie, dass er ihr überhaupt nicht mehr zuhörte, wenn sie eine Zwischenfrage stellte oder seine Meinung zu den Dingen erfragte. Seit einigen Monaten sprach sie deshalb so gut wie nichts mehr mit ihm und ging dem Spiel mit ihren gleichaltrigen Freundinnen nach. Aber sie hatte es sich vorgenommen, ihn nun doch auf
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