Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
groß der Berggrimm sei. Aber auf diese Fragen wusste Whenda auch keine Antworten. Sie konnte ihm nur berichten, dass eine Frau mit dem Namen Tasvar, die tödlich verletzt war, einst von Trea geheilt worden war. Sie erzählte ihm jedoch nicht die Geschichte von Tasvar und Gendar, der einer der Valvaria war und bei Ansir ins Wasser stürzte. Denn dies waren Geschichten aus den Legenden der Varia. Auch wenn sie wahr waren, wollte sie seinen Geist nicht damit beschäftigen. Alles, was es noch über Fengol zu sagen geben würde, würde ihn noch genug in Anspruch nehmen.
Als sie gespeist hatten und sich für die Nacht fertig machten, war es Whenda, als ob die Kälte nicht mehr so groß wäre wie in der Nacht zuvor. Aber sie war sich nicht sicher, ob einfach nur das vorzügliche Mahl, das sie genossen hatten, die Kälte vertrieb, oder ob es wirklich milder geworden war. Turgos ging noch etwas Holz sammeln, denn daran herrschte an ihrem Lagerplatz kein Mangel. Als Whenda seine Decke für ihn ausbreitete, sah sie das Ende einer Leier aus dem Beutel des Barons herausragen, welchen er immer unter dem großen Mantel auf seinem Rücken trug. Als er wieder bei ihr saß und Holz nachgelegt hatte, fragte sie ihn, ob er nicht ein Lied für sie singen wollte, wobei sie ihm durch einen Blick auf den Beutel zu verstehen gab, dass sie die Leier gesehen hatte. Turgos wurde zuerst etwas verlegen, nahm dann aber doch die Leier aus dem Beutel heraus. Whenda konnte nun sehen, dass die Leier sehr klein war und nur fünf Saiten hatte anstatt acht, wie es üblich war. Auch die Soldaten der Anyanar hatten solch kleine Instrumente, doch waren diese besser gearbeitet, wie sie im Schein der Flammen sofort erkannte.
» Ich bin leider kein sehr großer Sänger«, sagte er. »Bisher habe ich auch noch nie vor einem Zuhörer gesungen. Verzeih mir also, wenn ich den Ton nicht treffe.«
Whenda nickte. Turgos hatte sicher die Lieder der Anyanar gehört, die mit ihr nach Schwarzenberg gekommen waren. Unter ihren Leuten waren einige gute Sänger. Irgendwie passte es auch nicht zu dem Baron und sie konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass er einigermaßen passabel singen konnte. Doch schon schlug er die ersten Töne an. Whenda konnte nicht aufhören sich zu wundern, wie gut der Mann auf der Leier zu spielen vermochte. Auch sein Gesang war makellos. Nur wenige Barden, die sie gehört hatte, vermochten es wie Turgos, die Saiten so zu schlagen, dass die Laute derart miteinander verwoben wurden und nicht abgehackt klangen. Mit jeder Strophe seines Liedes wurde sein Spiel besser, bis sie sich schließlich ganz sicher war, noch niemals solch einen Virtuosen auf diesem Instrument gehört zu haben. Sein Lied handelte von einem Fischer, der niemals mehr von der See zurückkehrte, und einer Frau, die am Ufer des Meeres auf ihn wartete. Bis zu ihrem Tode stand sie jeden Abend an derselben Stelle und wartete auf die Heimkehr ihres Liebsten. Doch er kehrte nicht zurück.
Viele Lieder sang Turgos noch in jener Nacht, manche traurig, manche lustig, und einige erzählten einfach nur Geschichten und waren weniger Lieder, denn die Leier untermalte nur die Reime, aus denen sich die Geschichten zusammensetzten. Zum Ende hin spielte Turgos nur mehr angenehme Melodien. Whenda fielen dabei die Augen zu. Sie merkte nicht einmal, dass Turgos sie noch zudeckte, so tief und ruhig war sie eingeschlafen. Nachdem er noch einige dickere Holzscheite aufs Feuer gelegt hatte, schlief auch Turgos. Er wollte, dass es die Nacht über brannte und am Morgen noch etwas vor sich hin glomm. Dann könnten sie noch schnell das, was von den Kaninchen übrig war, erwärmen, sollten sie Verlangen danach haben.
Am nächsten Morgen, als Whenda erwachte, stellte sie fest, dass der Baron schon aufgestanden war. Sie sah ihn etwas entfernt das Gebirge betrachtend vor zwei Felsblöcken stehen. Als er sie bemerkte, kam er sofort auf sie zu.
»Guten Morgen liebe Whenda«, sagte er freundlich und teilte er ihr mit, dass er gerne etwas in die Berge hinaufsteigen wolle. Vielleicht ließe sich ja dort etwas finden, das auf die Anwesenheit der Wesen aus ihrer Geschichte hindeuten würde. Davon hielt Whenda jedoch gar nichts. Auch sie schaute nun hinauf ins Gebirge. In ihr machte sich jedoch keine Neugier breit, wie sie den Baron wohl befallen hatte. Sie sah nur die Gefahr, die von den Bergen ausging, denn es war sehr gefährlich, sich dort hinaufzubegeben. Sie ermahnte Turgos, dass er doch bitte die
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