Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Schmerzen verursachte.
Da war auch schon Turgos heran und war erleichtert, als er sie auf den ersten Blick unbeschadet vorfand. Als er dann sah, dass sie humpelte, kam er gleich zu ihr heruntergestiegen. Whendas Zorn war zwar verraucht, doch noch immer war sie etwas verärgert. Aber sie hatte, in den ihrem Volk eigenen Gedanken, erkannt, dass ihr dieses Missgeschick nur passiert war, weil sie sich ihrem Ärger über die Unternehmung von Turgos hingegeben hatte. Deshalb war sie unachtsam gewesen, sonst wäre ihr das nie passiert.
Turgos jedoch dachte, dass er nun zur Zielscheibe ihres Zorns werden würde, und fühlte sich sofort noch schuldiger. »Ist dein Bein oder Fuß gebrochen?«, wollte er wissen.
» Nein, Herr Bergsteiger«, entgegnete sie ihm. In ihrer Stimme lag nichts von dem Ärger, den er von ihr erwartet hatte. Er sah nun, dass sie fast nicht und nur unter Schmerzen auftreten konnte. Jetzt ärgerte er sich selbst über seinen Dickkopf, der ihn in die Berge gezwungen hatte. Das Einzige, was er hier gefunden hatte, war eine fußkranke Reisegefährtin. Er wusste jedoch auch, dass sie so rasch wie möglich wieder hinuntermussten. In der Nacht würde es hier oben bestimmt viel kälter sein als am Fuße der Berge.
» Wir müssen sofort wieder hinabsteigen«, sagte er zu Whenda und wies auf die Sonne.
» Dann wirst du mich tragen müssen, Baron«, sagte diese mehr sachlich als gereizt.
» Dann soll es so sein.«
Nach einigen Augenblicken hatten sie herausgefunden, wie es am besten ging. Ihr Gepäck hatten sie nicht am Fuße der Berge zurückgelassen, sondern trugen es mit sich. Turgos musste seinen Beutel vor die Brust hängen, damit er Whenda huckepack tragen konnte. Sein Schwert jedoch war unter dem Mantel von Whenda verstaut, denn sonst hätte sie nicht bequem auf ihm sitzen können. Als sie es an ihren Schwertgurt hängte, an dem auch ihr eigenes befestigt war, sah Turgos zum ersten Mal, dass Whenda bewaffnet war. Er hatte dies zwar schon die ganze Zeit vermutet, doch sicher war er sich nicht gewesen. Sie trug also wie er selbst eine Waffe. Wenn er sich recht erinnerte, war dies in Schwarzenberg nie der Fall gewesen. Wo sie nun so nah an ihn gepresst an seinem Rücken saß, bemerkte er auch, dass sie unter ihrem Mantel eine Rüstung zu tragen schien. Nicht nur, dass er die Rüstung spürte, sie machte die Anyanar auch derart schwer, dass er nach einigen Schritten schon glaubte, dass er es nicht schaffen würde, sie aus den Bergen zu tragen, bevor die Nacht vollends hereingebrochen war. Doch stumm und stoisch ging er bergab, genau den Weg zurück, den sie gekommen waren, und nur selten hielt er an – und dann auch nicht, um sich eine Pause zu gönnen. Er hielt nur dort an, wo er Whenda kurz absetzen musste, weil es zu gefährlich gewesen wäre, wenn er dieses Wegstück mit ihr auf dem Rücken beschritten hätte.
Sie kamen zügig voran, doch erst zwei Stunden nach Einbruch der Nacht erreichten sie ihren alten Lagerplatz am Fuße der Taru-Trea. Nachdem Turgos noch schnell etwas Feuerholz gesammelt hatte, saßen sie, wie schon in der Nacht zuvor, beisammen am Feuer. Doch heute war ihm nicht danach, die Leier hervorzuholen. Auch Whenda erkannte, wie erschöpft Turgos war, denn er schlief fast schon im Sitzen ein. Sie zog ihren Schuh aus, um sich ihren Knöchel genauer anzusehen, und erschrak. Er war stark angeschwollen. Die nächsten Tage würde es wohl mit dem Laufen nichts werden. Auch Turgos sah es, war jedoch nicht überrascht und meinte, dass sie erst einmal hier rasten würden, bis sie sehen konnten, wie es sich mit When das Knöchel weiterentwickelte.
Das Heer zieht nach Süden
Fuhlgaar, 4. Tag des 2. Monats 2515
Norun war einer der Ersten des großen Heeres, das Sharandir in den Süden gesandt hatte, die die Grenze von Eboraith nach Fuhlgaar überschritten. Er war der Heermeister des Ordens der Sulasolai, der schwarzen Sonne, wie sich die Nerolianer nannten, die ihr Leben dem Dienst an Uluzefar geweiht hatten. Er befehligte ein Drittel aller Krieger, die der Orden aufzubieten hatte, und war schon einmal hier gewesen. Damals war er noch ein junger Mann und hatte beim Bau der Festung Tarkur weit im Süden geholfen. Dort wollte er nun wieder hin. Als er diese Lande zum ersten Male betreten hatte, war er höchstens zwanzig Sonnenjahre alt gewesen. Nun stand er im fünfzigsten.
Eboraith war das Letzte der Lande, durch die sie bisher gezogen waren, in dem noch keine Geister und Unholde
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