Das Erbe in den Highlands
Karton Häagen-Dazs-Eis und ein mollig warmes Kaminfeuer, und das Leben wäre wieder in Ordnung.
Die Stiche in ihren Fingern schmerzten so stark, wenn sie die Hand bewegte, dass sie eine Gänsehaut bekam. Vorsichtig wickelte sie den Verband ab und betrachtete die hässlichen roten Narben an beiden Fingern und den schwarzen Faden, der die Haut zusammenhielt. Viel hatte nicht gefehlt, und die Finger wären ganz weg gewesen.
Kendricks Schwert würde sie so schnell nicht wieder nahe kommen.
Sie ließ die Hand sinken und ging zur Tür. Je eher sie ihr Eis bekam, desto besser würde sie sich fühlen. Vielleicht hatte Worthington einen Topfhandschuh übrig, den sie anziehen konnte, damit sie nicht ständig den Beweis ihrer Dummheit vor Augen hatte.
Worthington kam gerade die Treppe herauf, als sie nach unten ging. Er trug ein silbernes Tablett, auf dem sich ein Karton Schokoladeneis mit Schokostückchen und eine Schüssel dampfend heißer Karamellsoße befand. Ihr Lachen glich eher einem Seufzer der Erleichterung.
»Sagen Sie nicht, dass Sie inzwischen auch Gedanken lesen«, stöhnte sie.
Worthington war einem Grinsen so nahe, wie es ihm nur möglich war. »Mylady, Ihre Vorlieben und Abneigungen sind so durchschaubar, dass sie fast schon langweilen. Sie sollten wirklich auch andere Geschmacksrichtungen ausprobieren. Würde Himbeer-Trüffel Sie denn nicht reizen?«
»Nie im Leben. Ich werde doch keine Kalorien mit etwas verschwenden, das nicht dunkel und sündig ist. Wollen wir das unten essen?«
»Nun ja, da seine Lordschaft mich ständig nach Ihrem Befinden gefragt hat, dachte ich, Sie könnten ihm vielleicht in seinem Arbeitszimmer Gesellschaft leisten und ihn auf andere Gedanken bringen.«
»Hat er das?«, fragte sie und spürte, wie sich die Röte in ihre Wangen stahl.
»Unaufhörlich. Er macht mich noch ganz verrückt mit seinen Fragen.«
Genevieve hatte Mühe, sich das Grinsen zu verkneifen. »Wir wollen ja nicht, dass Sie verrückt werden, Worthington. Ich gehe zu ihm und beende Ihr Elend.«
Worthington nickte zustimmend und ging ihr voran zu Kendricks Zimmer. Er klopfte nicht einmal an, sondern öffnete die Tür und bedeutete ihr einzutreten.
Kendrick war zwar da, aber nahezu durchsichtig.
»Was ist mit Ihnen geschehen?«, fragte sie und kniete sich rasch neben seinen Sessel.
»Ich bin nur etwas blass«, antwortete er leise lächelnd. »Das wird schon wieder.«
»Blass?«, wiederholte sie verständnislos. »Kendrick, Sie sind fast gar nicht mehr vorhanden!«
»Ich bin bloß erschöpft«, flüsterte er, und das Sprechen strengte ihn offensichtlich auch an. »Euren Ärmel abzureißen käme dem Versuch Eurerseits gleich, ein Auto hochzustemmen. Es bedurfte einer wirklich enormen Anstrengung.«
»Das tut mir ja so leid«, sagte sie zerknirscht. »Kendrick, das ist alles meine Schuld. Ich wollte Ihnen keinen Schaden zufügen ...«
Er legte den Finger an die Lippen und ließ dann die Hand zurück auf seine Brust fallen. »Ihr solltet eher jubeln. In all meinen Gespenstertagen habe ich niemals etwas Nettes für eine Buchanan getan. Ihr, Mylady, habt die zweifelhafte Ehre, die Erste zu sein.«
»Das kann mich auch nicht trösten. Sie sehen fürchterlich aus.«
»Es wirkt viel schlimmer, als es ist«, versicherte er ihr. »Worthington«, sagte er und blickte seinen Haushofmeister an, »was hast du da für Mylady zu essen?«
»Nichts Gesundes, Mylord.«
Kendrick runzelte die Stirn. »Dann trag es um Himmels willen fort und bereite etwas anderes zu. Sie braucht Nährstoffe.«
»Ich will meine Eiscreme«, warf Genevieve ein.
»Spute dich, Worthington«, befahl Kendrick, ohne sie weiter zu beachten. »Und bring es hierher, wenn es fertig ist. Ich stelle fest, sie bedarf meiner strengen Aufsicht, wenn sie richtig gesund werden will.«
»Ich will meine Eiscreme«, beharrte Genevieve mit einem warnenden Blick in Richtung Worthington.
Kendrick seinerseits warf Worthington einen warnenden Blick zu. »Fort mit dir, alter Mann. Komm erst zurück, wenn du etwas hast, das für Genevieves Verzehr geeignet ist.«
»Verdammt, ich kann für mich selbst entscheiden«, verwehrte sie sich eigensinnig, stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Schlagartig war sie sich bewusst, was für eine lächerliche Figur sie in ihrem eher zu einem Kleinkind passenden Schlafoverall abgab, die Haare zum Pferdeschwanz gebunden und das Kinn trotzig vorgereckt. Sowohl Kendrick als auch Worthington schienen ein äußerst
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