Das Erbe in den Highlands
scheint mir einigermaßen taktvoll. Vielleicht hat es ja sein Gutes. Man kann nie genügend Verbündete unter den Sterblichen haben.
Auch Kendrick setzte sich wieder und sah dem Ermittlungsbeamten offen ins Gesicht. »Wie Sie sehen konnten, sind unsere Lebensumstände etwas ungewöhnlich.«
»Sind Sie der Earl of Seakirk?«, fragte Inspektor O’Mally geradeheraus. »Ich habe mich noch nie mit den Adelsgeschichten ausgekannt, aber Seakirk geht ein ziemlich eigen-artiger Ruf voraus. Ich war der Annahme, es gehöre den Buchanans.«
»Ich habe die Schulden von Matilda of Seakirk im Jahre 1260 beglichen«, sagte Kendrick genauso unumwunden. »Falls die Urkunden Heinrichs des Dritten korrekt sind, müsste das daraus ersichtlich sein. Allerdings werden sie nicht belegen, dass ich noch im gleichen Jahr in eben diesem Bergfried von Matildas Geliebtem ermordet wurde. Seakirk gehört mir.«
Inspektor O’Mally schluckte krampfhaft. »Was hält Ihre Verlobte von alldem?«
»Kendrick ist der rechtmäßige Earl«, erwiderte Genevieve ruhig.
»Und Sie sind wirklich mit ihm verlobt?«
»Das, guter Mann«, sagte Kendrick mit Nachdruck, »geht Sie nichts an. Ich besitze eine Geburtsurkunde, die mich seit irgendwann vor 1962 als auf dieser Erde befindlich nachweist. Und solange Sie mir keinen Geistlichen finden, der mich nicht zu exorzieren versucht, sobald er meiner ansichtig wird, sondern mich mit meiner Herzensdame vermählt, sollten Sie sich nur mit der Ermittlung beschäftigen und nicht mit meinem Privatleben.«
Inspektor O’Mally lehnte sich zurück und faltete die Hände über seinem Bäuchlein. Sein Zittern ließ nach. Gedankenverloren blickte er einige Minuten lang auf den Tisch und sah dann Kendrick an.
»Das verändert die Lage der Dinge beträchtlich. Wie viele Personen wissen von Ihrer Existenz?«
»Eindeutig? Sehr wenige. Da ich die Burg nicht verlassen kann, habe ich kaum Kontakt mit der Außenwelt. Gerüchte sind allerdings im Umlauf, fürchte ich, obschon ich bezweifle, dass viele den Geschichten Glauben schenken.«
»Und Ihre Verlobte?«
»Genevieve kennt sehr wenige Leute in England. Und obwohl sie in den Staaten eine bekannte Restaurierungsexpertin war, glaube ich kaum, dass jemand hierher kommen würde, um ihr etwas anzutun.«
»Nun, das sind doch schon einige Anhaltspunkte«, sagte Inspektor O’Mally mit einem Nicken. »Ich brauche eine vollständige Liste Ihrer Bekannten. Ich werde sie alle überprüfen, um zu sehen, ob sich etwas Ungewöhnliches ergibt. Ich gehe davon aus, Sie hier erreichen zu können?«
»Bei Tag und bei Nacht«, seufzte Kendrick. »Wir werden die Liste anfertigen und Ihnen umgehend schicken.« Er stand auf und ging durch den Stuhl hindurch, ohne sich darüber Gedanken zu machen.
Genevieve verkniff sich ein Lächeln, als der Inspektor erneut bleich wurde, empfand aber dann doch Mitleid mit ihm und versuchte ihn auf dem Weg zur Tür in ein belangloses Gespräch zu verwickeln. Dort stand schon Worthington, die Schlüssel in der Hand. Kendrick wartete, bis der Wagen abgefahren war, und schloss die Tür.
»Das hätte ich doch machen können«, sagte Genevieve rasch.
»Damit habe ich aber die Ausrede, müde genug für ein Nickerchen zu sein. Wollen wir nach oben gehen?«
Genevieve nickte und ging mit ihm zur Treppe. Als sie bei seinem Schlafzimmer angekommen waren, konnte sie kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen. Es war ja gut und schön, so zu tun, als käme sie nach Hause zu ihrem Geliebten, doch die Realität war wie ein Schlag ins Gesicht. Er war tot. Daran war nicht zu rütteln.
Die Tür öffnete sich, als sie sich näherten.
»Kendrick, hör auf«, sagte sie leise. »Ich kann das selbst machen.«
Er ignorierte sie und wartete, bis sie an ihm vorbei ins Zimmer trat. Sie schloss die Tür, ehe er dazu Gelegenheit hatte. Er lächelte wehmütig.
»Soll so der Rest unseres Lebens aussehen?«, neckte er sie. »Du und ich im Streit darüber, wer das Sagen hat?«
Sie spürte heiße Tränen aufsteigen. »Kendrick«, setzte sie ratlos an.
»Alles wird gut, Genevieve«, versuchte er sie zu trösten.
»Aber es ist so hoffnungslos.«
»Vielleicht hat eines Tages ein Engel Erbarmen mit uns, Gen. Bis dahin müssen wir uns eben behelfen. Und jetzt«, sagte er, um Fröhlichkeit in der Stimme bemüht, »wollen wir uns niederlegen, und du wirst mir alles, was du mir aus London mitgebracht hast, bis ins kleinste Detail beschreiben. Geschenke habe ich schon immer schrecklich
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