Das Erbe von Glen Crannach
freundschaftliche Frage. Man freut sich doch, wenn zu Hause jemand an einen denkt, während man in der Fremde weilt …”
Sie beschloss, die Worte ebenso zu ignorieren wie den spöttischen Unterton. Das unerwartete Abschweifen ins Persönliche hatte ihr ohnehin schon das Blut in die Wangen steigen lassen.
“Möglicherweise kann ich die Krypta tatsächlich als Hintergrund verwenden”, sagte sie vorsichtig. “Ich werde morgen früh allein noch einmal herkommen, um das Licht zu prüfen – vorausgesetzt natürlich, es ist Ihnen recht.”
“Tun Sie das ruhig.” Er betrachtete sie noch immer. “Dieser Eric … Ist das eine ernste Sache oder nur ein vorübergehender Flirt?”
Diesmal ignorierte sie die Worte nicht.
“Wenn Sie es wirklich wissen wollen – er ist der Mann, den ich heiraten werde!”, rief sie empört. Vielleicht würde das seine perverse Neugier stillen und ihm die Lust auf weitere Fragen verderben.
Eigentlich hätte Camilla ahnen müssen, dass er sich nicht so leicht geschlagen geben würde. Er blickte bedeutsam auf ihre linke Hand.
“Ich sehe aber keinen Verlobungsring”, meinte er. “Dabei bin ich ganz sicher, dass Ihr Eric ein Mann ist, der großen Wert auf solche Traditionen legt. Weshalb tragen Sie also keinen Ring, wenn Sie Eric heiraten wollen?”
“Weil die Verlobung noch nicht offiziell ist.”
“Ach so …” Greg schien über diese Mitteilung nachzudenken. “Dann hat er Ihnen entweder noch keinen förmlichen Antrag gemacht, oder Sie haben ihm noch keine förmliche Antwort gegeben.” Er hielt ihren Blick fest. “Welche der beiden Möglichkeiten trifft zu?”
Aus einem unerklärlichen Grund hämmerte Camillas Herz, und ihre Handflächen wurden feucht. Wie schon einmal, als Greg McKeown Eric erwähnt hatte, fühlte sie sich verängstigt und bedroht. “Ich werde Ihnen überhaupt nichts sagen! Meine Privatangelegenheiten gehen Sie nichts an.”
“Dann werde ich raten.” Ein zynisches Lächeln umspielte seine Lippen. “Ich würde sagen, dass Sie diejenige sind, die noch zögert.”
Die Annahme war falsch, und unter normalen Bedingungen hätte Camilla ihm das auch gesagt. Im Augenblick hatte sie jedoch nur einen Gedanken – Flucht. Flucht aus der Krypta, deren Mauern immer näher zu rücken schienen, und vor allem Flucht vor der Nähe dieses unverschämten Mannes, dessen graue Augen ihr bis in die Seele zu blicken schienen.
Um Fassung bemüht, erklärte Camilla kalt: “Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt zurück zum Schloss. Ich glaube, ich habe hier genug gesehen.”
“Sind Sie sicher?”
“Ganz sicher, vielen Dank.”
“Dann lassen Sie uns gehen”, meinte er gleichmütig und stieß sich von der Wand ab.
Camilla atmete auf. Offenbar war er des Spiels überdrüssig geworden. Doch sie hatte sich zu früh gefreut.
“Ich habe recht, nicht wahr?”, fragte er. “Sie sind es, die noch zögert.”
“Nein, das bin ich nicht!”, platzte sie heraus. “Ich kann es kaum erwarten, Eric zu heiraten, und das werde ich ihm sagen, sobald ich nach London zurückkehre.”
“Warum haben Sie es denn nicht vor Ihrer Abreise getan, wenn Sie es gar so eilig haben?”
“Weil er mir Bedenkzeit gegeben hat”, antwortete sie, ohne zu wissen, weshalb sie sich überhaupt die Mühe machte. “Er ist sich bewusst, dass eine Heirat ein schwerwiegender Schritt ist.”
“Da bin ich ganz seiner Meinung”, erwiderte er, aber dabei spielte wieder das überlegene Lächeln um seine Mundwinkel. “Ich bin sicher, dass es schwerwiegende Folgen haben kann, mit einem Mann wie ihm verheiratet zu sein.”
“Was wissen Sie denn davon? Sie kennen ihn doch gar nicht!”
“Das stimmt. Aber ich kenne Sie.”
Was sollte denn das nun wieder bedeuten? Camilla betrachtete Greg McKeown feindselig.
“Jetzt reicht es mir!”, erklärte sie und drehte sich um. “Ich gehe.” Ihre Beine fühlten sich an wie Gummi, als sie auf die Treppe zulief.
Die Hand an der kalten, grob behauenen Mauer entlanggleiten lassend, um sich im Halbdunkel zu orientieren, stieg Camilla schnell die ersten Stufen hinauf. Zu schnell. An der nächsten Biegung verschätzte sie sich und trat ins Leere.
Mit einem erstickten Schrei taumelte sie nach vorn. Normalerweise hätte sie sich schlimmstenfalls die Knie aufgeschürft, aber aus Angst um ihre Kamera griff sie danach und warf sich gleichzeitig zurück. Dabei verlor sie endgültig das Gleichgewicht und stürzte nach hinten ins Leere. Blindlings streckte sie
Weitere Kostenlose Bücher