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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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Sprache ist eben Dänisch.«
    Prebensen legte den Kopf in den Nacken und lachte laut über seinen klugen Scherz.
    »Und ich weiß allerlei über die Länder«, sagte Mogens.
    »Über die Länder?«
    »Wo sie liegen. Auf der Welt.«
    »Gut«, sagte Prebensen ernst. »Dann ist das abgemacht.«

    Und so avancierte Mogens Christian Thygesen plötzlich und über Nacht zum Hilfslehrer in Paullund, für Kinder in seinem eigenen Alter und auch für ältere, aber die meisten waren doch jünger. Und Prebensen hatte Recht: Wenn man sein Latein konnte, war die dänische Grammatik ein Kinderspiel. Das Problem war doch zu wissen, was ein Plusquamperfekt überhaupt war, und nicht, welche dänischen Wörter man benutzte. Und es gab nur wenige Fälle, die noch dazu so einfach und übersichtlich waren wie ein Sommertag, oder wie Steine, die über das Wasser hüpfen wollten. Die Mutter lächelte ein wenig häufiger. Mogens wusste nicht, ob das gut oder gefährlich war, im Hinblick auf Malding: Er war doch zufrieden damit, dass sie so deutlich gezeigt hatte, dass sie ihn nicht verlieren wollte. Sie gab sich besondere Mühe mit seiner Kleidung, weil er jetzt Hilfslehrer war, und sie sagte, sie sei stolz auf ihn, und wenn er später auf diese Zeit zurückblickte, musste er zugeben, dass sie in vieler Hinsicht die beste in seiner ganzen Kindheit gewesen war, trotz der Sache mit Carlchen. Sie war die beste, weil er energisch selber entschieden hatte und auf einer bösen Trauer etwas Gutes und Nützliches errichtet hatte; er hatte sich einer Wirklichkeit gestellt, die im Grunde zu groß für ihn war. Die er aber meisterte.

    Wenn er zurückblickte, schien außerdem alles miteinander zu verschwimmen, in diesem neuen und wunderbaren Dasein: Jakobine, die er kosten durfte, das Klavier in der Ecke der Schulstube, auf dem er spielen lernte, und der Anschauungsunterricht mit den Wandtafeln; mit bunten Zeichnungen aus Kopenhagen, die das Leben der Menschen dort zeigten. Es war neu und unglaublich, es gab Elektrische und Fahrradboten und Standbilder mit sich aufbäumenden Pferden und Gasflammen in hohen Laternen an mit flachen Steinen gepflasterten Straßen, wo man sicher ein ordentliches Tempo vorlegen konnte, ohne dass die Wagenräder sich lösten. In dieser Schulstube vertiefte man sich nicht in alte griechische Tragödien. Man schnupperte am eigentlichen Leben. Mogens hatte nicht gewusst, nicht geahnt, wie gemütlich es hier war, obwohl die acht vorhandenen Federhalter so abgenutzt waren, dass sie wie Treibholz aussahen, und obwohl nur die ältesten Kinder das Papier mit einer einigermaßen lesbaren Schrift versehen konnten. Und er lernte den Gesang lieben, erfuhr, dass es noch andere Lieder gab als traurige Choräle, die den irdischen Sündenpfuhl beklagten. Man konnte aus Freude singen, über ganz andere Dinge, wie die Mutter es getan hatte, als er klein gewesen war, mit Wie schön blüht uns der Maien, der Sommer fährt dahin. Mir ist ein schön Jungfräulein gefallen in meinen Sinn, im Dreivierteltakt, mit einem b. Grundtvigs Geist schwebte über der Schulstube und forderte das frohe Christentum, dem Prebensen absolut zustimmte, denn schön war der Himmel so blau. Mogens hatte sich den Himmel nie blau gedacht. Nicht den Himmel, nicht den des Vaters, der war weiß und leer und still, aber jetzt war er also blau geworden! So blau wie der echte über ihnen!
    Das Klavier war nie richtig gestimmt, weil Prebensen jeden Morgen im ganzen Jahr den Kachelofen anheizte. Aber die Nachtkälte im Herbst und im Winter riss die reinen Oktaven in Stücke. Prebensen hatte sich an den Klaviersaiten zu schaffen gemacht, aus Mangel an fachkundiger Beratung, und außerdem
hatte er unten im Klavierkasten einen halb gerauchten Tabaksklumpen hinterlassen. Er suchte wohl noch immer danach, denn er verlegte alles. Mogens’ wichtigste Aufgabe wurde es, die Habseligkeiten des Lehrers in Ordnung zu halten. Prebensen wurde noch viel gleichgültiger, jetzt, wo er einen Assistenten hatte.
    Mogens erfuhr, dass man lernen kann, ohne gequält zu werden, ohne sich zu Tode zu büffeln. Ihm kam nie der Gedanke, das hier könne zu leicht sein. Er machte sich Sorgen genug bei der Vorstellung, bald vom Vater auf die Konfirmation vorbereitet zu werden, mit anderen zusammenzusitzen und zu beweisen, dass er alles konnte, ohne dass der Vater Unterschiede machen durfte. Und ohne den Vater merken zu lassen, dass Mogens’ Glaube schon längst den sicheren Boden verloren hatte.

    Wenn er

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