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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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vermissen.«

    Er hatte zwei Pferdeköpfe im Meer, und dazu weiter oben im Fluss einen Stierkopf. Der Stierkopf zog Goldaale an, doch die Kundschaft wollte lieber Blankaal aus dem Salzwasser. Alfred Jebsen bekam es niemals über, die Köpfe aus dem Wasser zu ziehen, zum Bersten gefüllt mit gierigen, zappelnden Aalen, die aus allen Hohlräumen des Schädels hervorquollen. Malie musste die Schnüre an Land ziehen, während er selber den Kopf aus dem Wasser hievte. Es klatschte und spritzte, wenn die Aale feststellten, dass das Wasser aus dem Kopf und durch das Leinen unten hinauslief, sie zappelten wie besessen, um nach draußen zu gelangen, als sie sich nun plötzlich in einem Element befanden, mit dem sie nicht umzugehen verstanden.
    Er lud den Kopf in den Wagen, während Malie die Aale einfing, die sich aus diesem überreichen Gewimmel befreit hatten. Sie lagen wie wütende verflochtene Knoten im Gras und strebten in alle Richtungen auseinander, vor allem aber dem Wasser zu, als könnten sie es sehen oder riechen. Sie musste die Fingern ägel benutzen, um sie zu fassen zu bekommen, musste sie hart zwischen beiden Händen zusammenpressen und sie in den Wagen werfen, wo der Vater die Arme bis zu den Ellbogen im Pferdekopf vergraben hatte und unzählige Exemplare herauszog, die sich so tief im Schädel versteckt hatten, wie das überhaupt nur möglich war. Er schwitzte und lachte:
    »Hier sind zwei richtig lange und fette, du! Und jetzt zum nächsten Kopf!«
    Danach landeten beide Köpfe im Wasser, ohne Bindfäden
oder Bretter. Sie waren leer geerntet, aber wenn er gewollt hätte, hätte er das einige Male wiederholen können, Aale sind nun einmal auch mit wenig zufrieden.
    Simon-Peter stand still und schlaff im Geschirr, während das alles vor sich ging, für ihn spielte es keine Rolle, dass Körperteile seiner eigenen Artgenossen als Fanggeräte benutzt wurden. Nur sein Schwanz bewegte sich, in einem ewigen Hin und Her, das die Fliegen verscheuchen sollte.
    »Landet auch Simon-Peters Kopf eines schönen Tages im Wasser?«, neckte Malie wie so oft. Und wie immer lautete die Antwort: »Hast du den Verstand verloren, Mädel? Der gehört doch zur Familie!«

    Malie freute sich darauf, sich die Hände im Bach zu waschen. Wenn nicht die Lappen in ihrer Unterhose gewesen wären, dann hätte sie jetzt gebadet. Bedeutete das, eine erwachsene Frau zu sein? Dass sie an einem heißen Julitag nicht mehr baden konnte? Dass sie sich nicht die Kleider vom Leib reißen und das Wasser ihren Körper umschließen lassen und spüren konnte, wie seidenweich ihre Haut davon wurde? Sie hatte den Postgehilfen Lars schon lange nicht mehr gesehen. Sie hatte ihn nie angerührt, hatte nur an ihm geschnuppert, ihn aber nicht geküsst. Jetzt wollte sie das. Beim nächsten Mal. Wenn sie noch mehr machten, könnte sie ein Kind bekommen. Diese Vorstellung war beängstigend schön. Gefährlich. Es tat auch nicht mehr weh, da unten. Der Schmerz war in etwas anderes übergegangen, etwas Erwachsenes und Pulsierendes, das Ähnlichkeit mit den Empfindungen hatte, die sich einstellten, wenn sie sich selber streichelte. Es war jedoch ganz anders als die starke Flamme, die ein seltenes Mal aufloderte, wenn der Vater über ihr lag. Die kam von tief innen und bestand vor allem aus Hitze und Muskeln, doch wenn sie sich selber streichelte, dann brannten ihr Kopf, Augen und Mund und das Blut in der Mundhöhle, das sich wie mit spitzen Nadeln in die Zungenspitze ergoss.

    Sie spreizte unmerklich die Oberschenkel und ließ die Bewegungen des Wagens gegen die Lappen in ihrer Unterhose stoßen. Die hatten sich nach ihrem Schoß geformt und drückten sich sanft gegen sie, ähnelten einer offenen Hand, die sie ganz behutsam kniff. Sie schloss die Augen und streckte sich über dem Sitz aus. Es war die Sache eines Augenblicks, und die ganze Zeit sah sie dabei den Postgehilfen Lars, seinen schweißnassen Hals über dem Leinenkittel, die weiche Haut, oben braun und gleich unterhalb des Kittelrandes milchweiß ...
    »Schläfst du, Köderdeern?«
    Sie öffnete die Augen und wandte sich von ihm ab. »Ich bin nicht deine Köderdeern. «
    »Dann weißt du auch nicht, was das ist, du Malienkäferchen.«
    »Kann schon sein.«
    Die Kornfelder wogten im Abendwind. Die Straße führte am Fluss entlang, zwischen gelben Reihen aus fast reifen Ähren, die dicht an dicht aufmarschiert zu sein schienen. Die Flügel der Konradmühle bewegten sich träge hinten am Horizont in Richtung

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