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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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hegte. Malie gab vor, ihm zu glauben, wegen seiner kräftigen Schultern und seiner breiten Kinnlade, aber er hatte schon mehrere Male zum Zuge kommen dürfen, und deshalb war der Boden unter ihr nicht mehr ganz so weich. Er nahm sie als selbstverständlich hin, wollte sie nicht umschmeicheln, konnte nicht so recht glauben, dass sie sich ihm nicht hingeben wollte, dass Schmeicheleien unabdingbar seien. Denn sie wollte doch. Immer.

    An diesem Tag langweilte sie sich. Deshalb lag sie ganz ruhig da und sang innerlich und horchte und wartete auf Stallbursche Mortens abschließendes Stöhnen, das darauf folgende Gefummel und die Bewegungen unten im Heidekraut. Fünf Freunde an den Händen beide, wer die nicht kennt, der tät mir Leide, der erste wird der Daumen genannt, der schüttelt die Pflaumen im ganzen Land ...
    Außerdem hatte er einen so albernen Namen. Mooooot’n. Allein der Name war doch schon eine Niederlage. Er war träge wie eine sanfte Uferböschung über einem still stehenden Wasser. Und ihre Gedanken waren anderswo. Sie waren auf der Wiese bei der Kirche. Dort hatte eine tingelnde Theatergruppe ihr Lager aufgeschlagen. Sie nannte sich Trupp Sule. Die Leute stammten aus Schleswig und kamen nun von Klampenborg her und waren im Vergnügungspark Dyrehavsbakken aufgetreten.
Im berühmten Bakken! Ein Vater mit drei Söhnen. Die Mutter sollte bei der Geburt des Jüngsten gestorben sein, und sie führten wirklich gediegene Sachen auf: Gedichte und Hans Christian Andersen und einen toten Engländer und solche Dinge. Sie wollten am Abend in die Kneipe kommen, und alle Söhne waren jung. Malie hatten, die ganze Geschichte von der Brotfrau Lotte gehört, die am Morgen bei ihnen gewesen war.

    »Bist du fertig, Morten?«
    »Ooo, Malie, du bist einfach die wunderbarste ...«
»Dann rutsch mal zur Seite, ich glaube, da kommt jemand.«
»Da kommt niemand.«
»Mach trotzdem Platz. Du liegst auf meinem Mieder!«
    Sie war im Bakken gewesen. Zusammen mit ihrem Vater. Einmal, auf dem Heimweg von Kopenhagen. Der Dyrehavsbakken war ein Märchen aus kleinen Buden und den seltsamsten Menschen und Achterbahn und Zelten mit bärtigen Damen und Zwergen und Jongleuren und Gauklern. Der Pierrot wanderte in seinem mit roten Pompons geschmückten Kostüm durch die Menschenmenge hin und her. Malie hatte ihn aus der Nähe gesehen. Die Pompons waren zottig und tanzten bei jeder Bewegung. Ein spitzer Hut warf einen seltsamen Schatten über sein Gesicht, und er hatte sich roten Lippenstift weit über seine Mundwinkel hinaus verschmiert. Danach saßen sie auf Stühlen vor einer Bühne und sahen der Pantomime von Harlekin und Kolumbine zu. Malie wäre vor Lachen fast vom Stuhl gefallen, und der Vater wollte dann noch Olga Svendsen hören. Er bezeichnete sie ver ächtlich als alte Schabracke und dreiundzwanzigstklassige Kabaretts ängerin. Doch als sie so energisch lossang, dass der Spalt zwischen ihren Brüsten sich zur Kluft erweiterte, fiel ihm doch das Kinn herunter, und er strich sich über die Oberschenkel. Sein Schnurrbart zitterte, die Mundwinkel waren feucht. Malie hatte ein riesiges Eis zu fünfundzwanzig Öre mit echter Schlagsahne
und Erdbeeren bekommen, und dazu ihren eigenen rosa Nagellack, den sie vor Madame Agnes verstecken musste. Ja, das meiste an diesem Abstecher wurde vor der Madame verborgen, die es nur gut gefunden hatte, dass Malie mit dem Aal nach Kopenhagen sollte. Sie glaubte, Alfred werde sich am Riemen reißen, wenn seine Tochter dabei war und klatschen könnte. Aber Malie klatschte nicht. Die Mutter hatte ihr drei Kronen geboten, wenn sie erzählte, ob etwas passiert war. Aber Malie hatte den Kopf geschüttelt und gesagt:
    »Wir haben den ganzen Tag in sengender Sonne am Wagen gestanden und Aale verkauft, bis wir keine mehr hatten, und dann haben wir Knackwürste gegessen, und ich habe Limonade getrunken, und danach bin ich mit meinem Vater mit der Elektrischen gefahren, und danach haben wir bei den Schwestern Nielsen in Birkerød übernachtet, und am nächsten Tag sind wir doch mit Kandiszucker für dich nach Hause gekommen, meine Mutter.«
    Und mit der Natürlichkeit der Schauspielerin machte sie sich an ihrem Zopf zu schaffen und riss ihre blauen Augen weit auf, um jedes Wort zu betonen. Die Madame war beruhigt. Alle wussten, dass die Schwestern Nielsen überaus fromm waren und keinen Logiergast zur Ruhe gehen ließen, ohne ihm nicht mindestens fünf Bibelstellen mit auf den Weg zu geben, und dass sie nichts

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