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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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Vater mit einer Freundin nach oben verschwunden war, wollte eine ältere, dicke deutsche Puffmutter fummeln. Sie wollte sich nicht nur an Haaren und Spitzen zu schaffen machen. Malie hatte einiges getrunken und ließ die Madame fummeln, vor allem vor Verblüffung und Überraschung. Sie kam erst wieder zu sich, als sie beide hinter einem Vorhang in einem kleinen Alkoven saßen und die riesige Frau die ganze Zeit auf Deutsch auf sie einredete, wie in einem Traum. Leise, psalmodierend, hypnotisch: ... und lass dir sagen, hab die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne. Komm, folge mir ins dunkle Reich hinab ... Die Madame streichelte sich rhythmisch zwischen den Beinen und wollte mit der anderen Hand in Malies Unterhose greifen und Malies jungen Mund auf ihre Brüste pressen.
    Diese Brüste waren riesig. Und feucht und heiß. Sie stanken nach Schweiß und altem Parfüm und Schoßhund. Und plötzlich war es zu spät, um sich zu befreien. Die riesige Frau zitterte und bebte und stöhnte. Malie merkte, dass sie sich übergeben musste, als sie sich endlich aus diesem Griff losgemacht hatte und auf die Straße stürzte, um frische Luft zu schnappen. Dort draußen duftete es durchaus nicht nach Kornfeldern und Seebrise, sondern vielmehr nach offener, frischer Kloake. Sie leerte ihren Magen und machte sich dann laut weinend auf die Suche nach ihrem Vater. Sie fand ihn schlafend unter einer blau gestreiften Decke, während eine Frau sich vor einem dreiteiligen Toilettenspiegel kämmte, der sie aus allen Himmelsrichtungen zeigte.
    »Vater, ich will nach Hause!«
    Die Frau drehte sich vierfach zu ihr um, mit einer Miene, die sofort in die Defensive zu gehen schien. Sie hielt den Kamm regungslos in der Luft und schrie:
    »Alfred! Deine Tochter!«
    »Was ...? Wer?« Sein Schnurrbart sah schief und klebrig aus, als er unter der Bettdecke hervorlugte. Sein Schädel war schweißnass. Die Haare in seiner Nase bebten.

    »Ich will nach Hause«, weinte Malie. »Ich will nach Hause. Sofort!«

    Und da fuhr er mit ihr in den Dyrehavsbakken, an nächsten Tag, nachdem beide eine Gasse weiter bei einer soliden, freundlichen Madame ihren Rausch ausgeschlafen hatten - bei Kylle Hanssen, einer Frau, zu der Malie Vertrauen hatte. Sie ging auf Holzkrücken, stellte ihren eigenen Met her und besaß einen braunen, struppigen Hund namens Holger Danske. Sie stauchte den Vater immer zusammen, weil der seine Tochter mit hierher brachte, sie hielt ihm ihren verdreckten Zeigefinger vor die Augen: »Soll das Mädel vielleicht verdorben werden, he?« Deshalb hatte Malie Vertrauen zu ihr. Und am nächsten Tag zog Simon-Peter sie und den Vater hinauf zum Bakken, er wedelte munter mit dem Schwanz, vor einem unbeschwerten leeren Aalwagen. Zum ersten Mal besuchte Malie nun den Ort, von dem so viel geredet wurde. Als Trost, als Bestechung, was wusste sie denn schon. Sie wusste nur, dass sie den Bakken vom ersten Moment an liebte, denn sie hatte den Tivoli in der Stadt nie besucht. Dorthin gingen nur feine Leute. Die Freundinnen in der Holmensgade hatte sie zum letzten Mal gesehen. Auch wenn er ihr für den Heimweg weitere Besuche im Bakken versprach.
    Die Mutter schöpfte Argwohn, aber Malie log sich eine Verliebtheit zusammen, sie habe keine Zeit. Damals war der Postgehilfe Lars wohl der passende Vorwand, und damit war die Sache erledigt.
    Aber das Misstrauen den Nutten gegenüber war noch immer vorhanden, zusammen mit dem Hunger auf das Leben, auf viele Menschen an einem Ort, auf Lachen und Gesang, auf Scherze, auf die besten Kommentare.

    »Kommst du heute Abend in die Schenke, Morten?«
    »Neee ... hab kein Geld. Und meine Mutter will ja nicht, dass
ich da verkehre ... aber sie kann dich leiden, meine Malie, und das kann ich meiner See! auch!«
    »Dann sehen wir uns ein andermal, Mooooot’n.«
    »Warum sagst du das so?«
    »Einfach so. Aber jetzt muss ich los. Meine Mutter wartet.«

S ie trat aus der tief stehenden Sonne, die ihr in die Augen stach, in die dunkle Jebseschenke und war sofort geblendet. Aber ihn sah sie. Ruben. Sie schaute ihm ins Gesicht, das er zur Seite gedreht hatte. Sie konnte die Feuchtigkeit seiner Hornhaut sehen, die Feuchtigkeit in den Mundwinkeln und an der Stelle, wo die Nasenlöcher anfingen. Die Feuchtigkeit spiegelte sich im Licht der Petroleumlampe, die immer über dem Tresen brannte. Er wandte ihr das Gesicht zu, schaute ihr in die Augen. Sie wusste, dass er so, wie sie hier stand, nur ihre Silhouette sehen konnte, ihre Haare

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