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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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Flüssiges servierten, das Alkohol enthielt. Dort gab es nur Magermilch und Brunnenwasser. Und deshalb durfte Malie auch bei der nächsten Aalfahrt mitkommen.

    Aber Alfred Jebsen stand durchaus nicht selber an seinem Stand, um die Aale feilzubieten. Ein Schlachterladen bekam sie für einen guten Preis, jedenfalls gut genug für den ungeduldigen Jebsen. Und dann ging es geradewegs in die Holmensgade und die Brøndstræderne zu den Mädels, die Malie mit offenen Armen und parfümierten Küssen in Empfang nahmen. Es war viele Jahre her, dass sie als gesetzlich anerkannte Prostituierte weiße Kittel
hatten tragen müssen, die Uniform, die Geschäfte aber liefen unverändert. Sie saßen hinter den offenen Schenkentüren, während die Luden und die Puffmütter und die Hunde und die Katzen und die Klaviermusik um sie herumschwirrten. Wenn die Ordnungsmacht auftauchte, schlüpften einige von ihnen in ihre kleinen Läden, wo sie angeblich Krankenpflegeartikel und schlüpfrige Postkarten mit nackten Menschen und Texten wie So verlief eine Hochzeitsnacht und Gott sei Dank, sie haben sich verkauften. Während der Polizist Postkarten und Dekolletes musterte und sich unbeliebt machte, saßen die anderen ruhig bei ihrem Sherry, streichelten ihre mit Schleifchen geschmückten Schoßhunde und spielten feine Damen bei einem zufälligen Besuch, wenn auch ein wenig fehl am Platz in Wirtshäusern, die ebenso braun und dunkel waren wie die Jebseschenke. Alfred kannte sie alle, die Kneipen und die Mädchen, aus den Kriegsjahren. Damals war er offenbar als der pure Wohltäter aufgetreten, so, wie sie Malie gegenüber alle von ihm schwärmten.
    »Dein Vater ist ein Gott!«
    »Ja, das ist er wirklich.«
    »Jebsen vergisst nie ein Mädel. Nie!«
    Malie bekam ebenfalls Sherry, in einem eleganten Weinglas, mit in böhmischen Mustern geschliffenem Kristall. Die Mädchen kämmten ihr die Haare, liehen ihr Kleider für einen Abend und Lackschuhe mit Schnallen und Schleifen, sie schminkten sie. Sie kam sich vor wie im Paradies. Wie eine Prinzessin. Aber der Vater sorgte dafür, dass sie ansonsten nicht in das Geschäft hineingeriet. Ein nichts ahnender Lude, der eines späten Abends im Røde Hav aufkreuzte und beim Anblick von Malies junger Haut glaubte, einen feinen Fang gemacht zu haben, verlor später in dieser Nacht vor dem Haus zwei Finger. Finger, die, so prahlte Alfred Jebsen, geräuchert und als kleine Aale verkauft werden sollten. Und die Mädchen passten auf Malie auf, wenn eine plötzliche Invasion russischer Matrosen eine Stimmung hervorrief, bei der man Gefahr lief, den Überblick zu verlieren.

    Malie war neidisch. Die anderen durften sich doch schminken, trinken, schlafen, und wenn es Nacht wurde, durften sie das tun, was ihnen das Allerliebste war. Und dafür wurden sie dann auch noch bezahlt! Die russischen Matrosen waren witzig und unheimlich und verlockend, auch wenn sie ein wenig schmutzig waren. Aber mehrere der Dirnen hatten Waschschüsseln im Hinterzimmer und verlangten, dass der Freier sauber war, ehe er ins Bett steigen durfte, falls er überhaupt so weit kam, ehe er fertig war.
    Mit leuchtenden Augen konnte Malie in einer Ecke sitzen und zusehen, wie die Mädchen die Männer um den kleinen Finger wickelten, sie wickelten und wickelten, bis der Mann auf ihrem Schoß und an ihrem Busen landete. Genau der Mann, den sie haben wollten. Der, dessen Hosentasche von den dicksten Geldscheinb ündeln ausgebeult wurde. Und Malie, als das Kind, das sie war, registrierte nur das Schöne, den Flirt und den Rausch, die Lieder und die Musik. Das Spiel der Luden und die strengen finanziellen Forderungen der Puffmütter blieben ihr verborgen. Und an den langen Wintertagen mit feuchtem, kaltem Wetter, wenn die Brøndstræderne geplagt von Stillstand und tuberkulösem Fieber und venerischem Brand aufkeuchte, dann war sie zu Hause in Sicherheit. Das Kopenhagener Nuttenviertel zeigte sich ihr von der Sonnenseite - Alfred Jebsen mit seinem Aalgeld war gekommen! Und das Wetter war warm und das Bier kalt, und die Schnapskrüge wurden wohl niemals leer.
    »Du bist ein schönes Mädchen, du solltest dich nicht von irgendwem einfangen lassen«, konnten sie zu ihr sagen, und fünf Hände auf einmal machten sich an ihr zu schaffen und nannten sie Püppi. Sie sorgten dafür, dass ihr Kragen ordentlich saß, dass ihre Haarbänder nicht verrutschten, dass die Spitzen unter ihrem Rock nicht den Hundekot auf dem Boden streiften.

    Eines Abends, als der

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