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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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sollte das wirklich Kopenhagen sein? Alle Häuser waren beleuchtet. Über dem Dache eines Gebäudes auf der anderen Straßenseite stand in flammenden Buchstaben: Whisky ist der beste Trunk. Und sehet nur! Noch weiter oben wurde wie von unsichtbarer Hand mit Feuerschrift in den Himmel geschrieben: Søholms Kaffee ist der billigste! Ich denke: Wo bin ich denn hier gelandet? Das ist doch die HÖLLE!«
    Der Jubel wollte kein Ende nehmen. Rüben war ebenso schweißnass wie Malie. Sie folgte jedem einzelnen Tropfen, der über seine Haut glitt und unter dem Hemdenkragen verschwand. Wer wohl seine Hemden wusch? Das hätte sie gern übernommen. Sie würde dieses Hemd in einem eigenen Krug säubern, wenn er sie bat, und danach würde sie den Stoff weich kauen. Sie lächelte bei diesem Gedanken und fing im selben Moment seinen Blick auf. Und zwar zum zweiten Mal an diesem Tag. Sie rannte in die Küche, packte einen Kessel und genoss das kühle Metall, ehe sie ihn sinken ließ und sich über die Brüste strich, rasch, in langen harten Zügen. Dann stand die Mutter vor ihr.
    »Bier, Malie, na los!«

    Wenn die Gäste in der Schenke die Möglichkeit gehabt hätten, Ruben einen Trichter in die Kehle zu setzen und seinen Magen mit zehn Litern Bier zu füllen, dann hätten sie es gemacht. Da das nicht ging, ließen sie auch Vati Sule und Fits voll laufen. Nach und nach waren sie dann einigermaßen damit zufrieden, was die drei insgesamt konsumieren konnten. Madame Agnes behielt genau im Auge, was der Wirt selber in sich hineinschüttete, und drohte, er werde bei Simon-Peter schlafen müssen, wenn er seiner Kehle keine Zurückhaltung auferlegte.
    Der Hasenbraten kam auf den Tisch, und die Brotbrocken in dampfenden Schalen voll Malzbier, in denen in der Mitte ein fetter Sahneklumpen schwamm, dazu weiches Weizenbrot und
abgelagertes Roggenbrot und Käseräder und Aal in allen Varianten, von den butterweichen geräucherten bis zu den eingelegten, salzigen, kalten und in Streifen geschnittenen Sorten. Das Salz vergrößerte den Durst, und Malie lief hin und her, kurzatmig und mit vorgetäuschtem Fleiß. Sie hatte wie immer alles unter Kontrolle und hätte nicht zu rennen brauchen. Sie dachte: Ich liebe ihn, und morgen fahren sie weiter, was sollen sie denn noch hier? Dann hörte sie, wie der alte Knud Bak Vati Sule fragte, ob der ihm beim Bau einer neuen Scheune helfen würde.
    Der Bau einer neuen Scheune brauchte seine Zeit. Sie ließ ein Glas fallen, um in der Nähe bleiben zu können. Ruben stand ein Stück von ihr entfernt, vor der Wand, er trank und schaute aus der Schenkentür, auf die Pflasterstraße, auf eine Frau, die mit einem Pferdekarren voller Steckrüben vorbeirumpelte.
    »Und Rüben und Fits können auch helfen«, hörte sie Vati Sule sagen.
    »Und wenn niemand auf euch wartet«, sagte Knud Bak.
    »Nein, auf uns wartet nur Folbæk, und die wissen das nicht mal«, sagte Vati Sule und lachte.
    »Zwei, drei Wochen«, sagte Knud Bak. »Alles liegt schon bereit, aber niemand hat Zeit, und Søren Kaas, also der Zimmermann, ist in seinem eigenen Schnapskrug ertrunken ...«
    Sie stießen auf diese Abmachung an, und Vati Sule rief Ælle und nahm ihn auf den Schoß. Ehe Malie wieder in der Küche verschwand, sah sie, wie Ælles verschlossenes und von Hühnerfett glänzendes Gesicht sich zu einem breiten Lächeln öffnete, als der Vater ihm etwas ins Ohr flüsterte. Minuten später wurde zu einer neuen Vorstellung gerufen, einer kleinen Extranummer, die sie doch ganz und gar aufführen würden, weil auch das nicht viele Minuten in Anspruch nahm. Ælle, der strahlte, weil er jetzt wusste, dass sie noch eine Weile in Hvideleje bleiben würden, spielte die Prinzessin auf der Erbse dermaßen herzzerreißend innig, dass alle auf den Stühlen hin- und herrutschten und sich ins
Kreuz fassten, als Ælle auf dem Tresen lag und desgleichen tat, mit Stöhnen und gequältem Jungmädchengeschrei.
    Und als die Prinzessin sich von ihrem Lager erhob und Vater Sule mit barscher Stimme fragte, wie sie denn geschlafen habe, piepste sie: »O, schrecklich schlecht. Ich habe meine Augen die ganze Nacht nicht geschlossen. Gott weiß, was das im Bett gewesen ist. Ich habe auf etwas Hartem gelegen, sodass ich ganz grün und blau über meinem ganzen Körper bin!«
    »Die arme Prinzessin. Der arme Ælle!« Madame Agnes verwöhnte ihn abermals mit Speis und Trank, aber Malie fand das plötzlich nur noch widerlich. Die Mutter legte eine Fürsorge an den Tag, die

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