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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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Malie nicht an ihr kannte, und die sie selber nicht einmal als kleines Kind erlebt hatte. Aber jetzt hatte die Mutter ein Publikum. Sie spielte vor den Gästen eine Rolle. So dachte Malie - dass die Mutter eine Rolle spielte, genau wie Trupp Sule.
    Und wer eine Rolle spielte, durfte dabei Eigenschaften zeigen, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden waren.

D ie Gasse hinter der Jebseschenke roch nach Pferdeäpfeln und wildem Wein, nach Staub und alter Sonne. Er hatte die Weste unter den einen Arm geklemmt. Er war betrunken. Er schlief. Es war fast Mitternacht, und die Schenke war geschlossen und aufgeräumt. Malie hatte selber auch ziemlich viel Wein getrunken und setzte sich langsam neben ihn, auf die Strandsteine, die dicht an dicht mit den Pflastersteinen lagen. Sie dachte nicht daran, ihn zu wecken, und sie überlegte sich auch nicht, ob die Strandsteine, auf denen sie saß, schmutzig sein könnten. Sie war müde. Es war so verwirrend lange her, dass sie Ruhe gekannt hatte, Ruhe im Kopf. Vielleicht musste sie daf ür in die Zeit vor dem ersten Bluten zurückgehen, als alles sich um den Vater gedreht hatte, oder darum, ihm aus dem Weg zu gehen.
    Seit sie die Kontrolle über ihren Körper erhalten hatte, war alles durcheinander geraten. Aber jetzt saß sie hier. Neben Ruben. Und das erinnerte sie daran, wie es war, ein Kind zu sein, zu wissen, was ihr bevorstand, wie der Tag so mehr oder weniger verlaufen würde. Sie wollte ihn nicht verschwinden lassen, so war das. Sie kannte sein Gesicht und seinen Körper schon ganz genau. Sie gehörten ihr. Er öffnete die Augen, schüttelte den Kopf wie ein Hund und entdeckte sie. Das Licht, das sie umgab, war dunkelblau, ein bleicher Spätsommermond hing seitlich über Hvideleje. In der Ferne waren Stimmen zu hören, ein betrunkenes
Lachen und ein heulender Hund, und einige Meter von ihnen entfernt, hinter der Bretterwand, trat Simon-Peter von einem Fuß auf den anderen. Es war ein weiches, schleppendes Ger äusch auf dem alten Stroh und beruhigte sie.
    Hier hätte sie tausend Jahre lang sitzen können, genau so, mit Wein im Blut und dem erst schlafenden und dann schlaftrunkenen Ruben, der sie entdeckte und etwas sagen oder tun wollte, das spielte keine Rolle. Das Beste wäre es, wenn er gar nichts sagte oder tat, sondern einfach nur war.

    »Da bist du«, flüsterte er, streckte einen Arm aus und umfasste ihren Zopf. »Der ist aber schwer.«
    Sie gab keine Antwort. Seine Zunge glänzte feucht. Sie wusste, wie sein Mund schmecken würde, weiß und rot und blank, nach einer Stimme, die quer durch die Jebseschenke flog und in sie eindrang, nach weißen Zähnen und rosa Lippen und der glatten Haut, die immer feucht hinter den Lippen lag. Er ließ den Zopf los und strich ihr leicht über die Brüste, legte die Hand auf ihren Schoß. Sie griff danach.
    »Wenn du mir gehören willst, werde ich zum König ...«
    Sie gab noch immer keine Antwort. Er fing an zu singen, leise und glockenrein: »Mein schmuckes, kleines Mägdelein, wüsst ich doch, wer Ihr wärt! Doch steigt in meinen Nachen fein, der Euch von dannen fährt, vorbei am Reich der Fischelein, wohl zu des Königs Herd ... «
    Jetzt lachte sie. Er setzte sich auf, unsicher in seinen Bewegungen, wie ein frühlingseifriger Brachvogel. Er war selbst im Sitzen größer als sie. Er legte den Arm um sie, sie lachte noch immer, an seinem Hemd, und am Ende sagte sie: »Amalie Jebsen, ich heiße Amalie Jebsen.«

    Simon-Peter stand schlafend in der Dunkelheit. Auch die Fliegen schliefen, er hatte seine Ruhe und trat nur in regelmäßigen Abständen von einem Fuß auf den anderen. Sie legten sich neben
ihn. Das Stroh stach sie nicht. Das fiel ihnen nicht auf. Dunkelheit und Pferd rochen alt und vertraut. Er zog ihr das Kleid aus und leckte sie am ganzen Oberkörper, bis unter die Arme. Sie brach in Tränen aus. Er leckte ihre Wange und ihren Nacken und biss hart in ihren Zopf, und hinter ihnen lag das Geräusch des Pferdeatems, ruhig ging er ein und aus, durch tiefe feuchte Nüstern, die sich im Takt der Bewegungen im Stroh weiteten. Er schlüpfte in sie hinein, war plötzlich da, füllte sie viel mehr als Stallbursche Morten und Postgehilfe Lars und alle anderen. Sie weinte und weinte und saugte an seiner Zunge und begrub ihre Hände in seinen Händen. Er packte sie und hielt sie fest und atmete ihr bis in die Lunge und ließ seinen Schweiß in ihre Haare tropfen und zog sie in seinen eigenen Puls, seinen eigenen Herzschlag, und da

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