Das Erbstueck
und legte den Kopf in ihren Schoß, er schnupperte wie ein Hund. Sie betrachtete den Himmel, das glatte Blau. Der Mond war fast weggeschmolzen, bald würde sich die Sonne von Osten her in die Welt hineinfressen. Sie legte ihm die Hände um den Nacken und drückte ihn. Sein Hinterkopf war rund wie eine Bierschale, seine Haare weicher, als sie aussahen, weich und glatt. Er schnupperte und leckte und biss. Es kitzelte. Sie zog seinen Kopf von ihrem Schoß fort, ohne ihn loszulassen, legte ihm die Hände um die Ohren und lächelte ihn an, küsste ihn auf die Stirn, auf die Nase, auf die Wangen und nahm ihren eigenen Geruch in sich auf.
D ann folgte eine Zeit des Wartens. Sechzehn Tage. Es war unmöglich zu verbergen, wie es um sie beide stand. Alfred Jebsen wurde mürrisch und verschlossen und mochte kaum noch die Nasenspitze in sein Bier stecken. Tagsüber arbeitete Ruben zusammen mit seinem Vater. Seine Hände überzogen sich mit blanken Blasen, die danach durch Schwielen ersetzt wurden. Malie fiel auf, dass er härter zugriff und streichelte, um sie wirklich spüren zu können. Wenn er die Bretter zurechtschlug, war er zerstreut, zweimal hätte er sich fast ins Knie gehackt, wie Vati Sule erzählte. Aber was tut die Liebe nicht mit der Vernunft, fügte er lächelnd hinzu.
Malie lief verängstigt und halb erfroren durch die Küche und durch den Schankraum und durch die Waschküche. Sie zählte Stunden und Tage und stopfte sich unten mit Essigschwämmen voll, denn sie hatte aus geflüsterten Frauengesprächen am Brunnen entnommen, dass sich das empfahl, wenn der Mann die Sache zu gern betrieb. Ab und zu war es einfach unmöglich, an diese Ladung zu denken, die in sicherer Entfernung von der gefährlichen fruchtbaren Tiefe abgelegt werden musste. Ruben war absolut einer, der die Sache zu gern betrieb. Ihr ging es ja auch nicht anders. Und wenn sie sich unten streichelte und danach an ihren Fingern roch, konnte sie sich zu ihrer Beruhigung versichern, dass es Ruben wirklich gab. Es war keine Lüge, kein Traum.
Sie aß nicht sehr viel. Sie wartete und atmete und zitterte; bald würde er von Knud Bak zurückkommen, schweißnass, durstig und lächelnd, mit einem Nacken, der streng nach Salz und Körperfett schmeckte. Madame Agnes warf Malie aus der Küche und sagte, sie sei einfach zu nichts Vernünftigem zu gebrauchen. Sie tauge höchstens noch dazu, die Teller in den Schankraum zu tragen und die Bierhumpen zu füllen. Außerdem hatte Madame Agnes die ganze Zeit Ælle bei sich und mochte nicht so herumschimpfen wie sonst. Sie blühte auf unter dem dauernden Geplauder des Jungen und seinem Bedürfnis nach Fürsorge. Malie verachtete sie dafür, aber alle liebten Ælle. Es war nicht seine Schuld, und er brauchte Liebe.
Jede Nacht blieben sie wach, bis die Sonne aufging. Malie hatte dunkle Ringe unter den Augen, Augen, die vor Fieber brannten, und wütende rote Flecken auf den Wangen und der Brust. Der Vater griff gierig nach ihr. Sie vermied es, mit ihm allein zu sein. Aber eines Tages im Stall presste er sie gegen die Bretterwand und stieß durch den Hosenstoff sein Glied gegen sie.
»Nimm dich verdammt noch mal in Acht, Köderdeern ...«
»Lass mich los.«
»Dich loslassen? Wozu denn? Für wen? Ich werd dir zeigen, wer in diesem Haus bestimmt, in meinem Haus.«
Sie konnte entkommen, indem sie plötzlich auf die Knie sank und über den Stallboden davonkroch. Ein dicker Splitter bohrte sich in ihr Knie. Als Ruben die Wunde küsste und wissen wollte, woher die stammte, behauptete sie, sie sei in der Waschküche gefallen.
Sie kaufte auf dem Markt ein, machte dabei aber alles falsch. Sie kam mit verfaultem Gemüse nach Hause, mit altem Fleisch und Holzlöffeln mit Astlöchern im Handgriff. Mit zitternden Händen zählte sie das Geld in der Matratze. Sie band ein Haar um das eine Bündel und sah einige Tage darauf nach, ob es noch immer
da lag. Sie wollte wissen, wie oft der Vater oder die Mutter nach dem Geld sahen. Das Haar war noch vorhanden. Sie kam zu dem Schluss, dass die Mutter nichts von diesem Geld wusste. Die Mutter hätte es zu irgendetwas verwendet – hätte damit weit weg von der Kneipe ein Haus gemietet. Davon redete sie doch immer. Oder sie hätte einen neuen Küchenherd angeschafft. Bestimmt gehörte das Geld dem Vater und nur ihm allein. Es war ja auch auf seiner Seite der Matratze verstaut.
Sie wollte nicht mit ihm zu den Aalen fahren. Der Vater raufte sich die Haare und beklagte sich bei Onkel
Weitere Kostenlose Bücher