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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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hatten Kakao mit schwimmendem Sahnehäubchen getrunken, das auf dem Kakao Fettaugen treiben ließ. Mogens wäre am liebsten gestorben, als Frode mit seinem Bericht begonnen hatte, aber seine Stimme, die noch immer bis zum Rand mit westjütischem Akzent erfüllt war, enthielt keinerlei Anklage. Das half ein wenig. Mogens ließ ihn weiterreden, ohne den Kakao an die Wand zu werfen, das gehörte sich nicht im Café Osborne, das die feinen Leute besuchten. Stattdessen schaute er hinaus auf die Vesterbrogade, auf die Straßenbahnschienen, die in der Sonne funkelten, und auf die Fahrräder und die umherlaufenden Marktfrauen. Aber Frode hätte warten können, es war nicht nötig gewesen, es zu erzählen, während sie so gemütlich zusammensaßen.
    »Dann öffnete er den Brief und fing an zu lesen, und schließlich zitterten seine Hände dermaßen, dass er den Brief auf seine Knie fallen ließ. Lange saß er mit geschlossenen Augen da, dann stand er auf und warf ihn in den Ofen. Wir haben nicht erfahren, was darin stand, wir hielten dich für tot oder dachten, du hättest in der Schule vielleicht etwas gestohlen oder jemanden verprügelt. Wärst geschasst worden. Hättest ein Mädchen geschwängert. Wir stellten wilde Theorien auf. Deine Adresse hatte sich ihm aber trotzdem eingeprägt. Und als er im Sterben lag, worauf er sich zu freuen schien, weil er dann bald mit unserer Mutter und mit dem Erlöser zusammen sein würde, hat er mir die Adresse genannt. Die habe ich sofort in der Küche auf eine Margarineschachtel geschrieben, um sie nicht zu vergessen. Ich habe doch noch nie ein gutes Gedächtnis gehabt, nicht so wie du oder Vater.«
    »Aber er hat mir nie geschrieben«, sagte Mogens.
    »Er hat dich nie mehr erwähnt. Macht dich das traurig? Er hat danach ja nicht mehr lange gelebt. Es war zu viel für ihn. Es waren zu viele Enttäuschungen.«
    Danach schauten sie lange auf die sonnige Straße hinaus, er
und Frode, ohne etwas zu sagen. Der Kakao schmeckte nicht mehr so gut. Mogens hatte seither keinen Fuß mehr ins Café Osborne gesetzt.

    Nach der Auseinandersetzung mit Anne-Gine ging er los und fand Frode in dessen Stammkneipe. Es ging eine Kellertreppe mit in der Mitte abgetretenen Steinstufen hinunter. Es war eine unbegreifliche Vorstellung, dass gewöhnliche Menschenschuhe harten Stein abtreten konnten. Zahllose durstige Menschen hatten ihr Körpergewicht über diese Treppe geschleppt.
    Frode rief und winkte, als Mogens in der Tür den Kopf einzog. Mogens bestellte drei Brote und ein Bier.
    »Bier? Hast du Bier gesagt?«, fragte Frode.
    »Ja. Das will ich jetzt.«
    »Vielleicht auch einen kleinen Aquavit?«
    »Nein, danke. Bier reicht. Ich ziehe bei Anne-Gine aus. Du kannst sie haben, wenn du willst.«
    »Ja, danke, das will ich gern«, erwiderte Frode. »Sehr gern. Aber will sie mich?«
    »Ich glaube schon. Jetzt will sie das.«
    »Ist etwas passiert, Mogens? Hattest du eine gute Reise?«
    »Eine ausgezeichnete. Ausgezeichnet.«
    »Hast du eine Frau kennen gelernt, willst du deshalb ausziehen?«
    »Durchaus nicht, Frode. Ich habe in Norwegen zwar jemanden kennen gelernt, aber das war ein Mann.«
    Frode Nicolai stellte weitere Fragen, aber Mogens erzählte ihm nichts von seinen Plänen für die neuen Dessertteller. Es war wunderschön, niemandem davon zu erzählen, die Pläne wie ein Geheimnis aufzubewahren. Sie lagen da wie heißer Brei im Magen und glühten, gaben ihm Energie und Ruhe und unendliche Freude. Es tat gut, nach Hause zu kommen. Auch Frodes blankes Gesicht über dem schäumenden Bier, seine verschlissene Jacke, die Brille, die aus der Jackentasche lugte. Die Brille, die er
auf die Nase setzte, wenn er Korrektur lesen musste. Er las problemlos spiegelverkehrt und hatte größere Probleme bei Buchstaben, die in der richtigen Richtung standen. Er hielt immer die fertig gedruckte Zeitung ins Licht und las die Rückseite.
    »Du wirst doch ein freier Mann«, sagte Frode. »Wir können anfangen, uns in etwas größeren Kreisen zu bewegen. Im Kabarett und so. Ohne dass Anne-Gine zu Hause mit frisch gebackenem Kuchen herumquengelt. Was sagst du? Wird das nicht toll, was?«
    »Wenn sie nicht von jetzt an an dir herumnörgelt.«
    »Ich brauche ja noch nicht richtig in ihre Unterhose einzuziehen. Wir brauchen eine kleine Frauenzimmerpause, was? Prost, Bruder Mogens!«

    Er fand ein Zimmer in der Bissensgade, angenehm nah bei der Fabrik. Vier Wände, ein Fenster mit grauen Wollvorhängen, ein Sofa mit tiefer

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