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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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Hinternkuhle in der Mitte. Ein Waschtisch, ein Ofen, ein zu niedriger Tisch und ein Aquarell einer Trauerbirke über einem liebenden Paar, das auf einer Bank saß und die Köpfe aneinander lehnte. Zwei Wochen nach seiner Rückkehr aus Norwegen hatte er Poulsen noch immer nicht um ein Gespräch gebeten. Nach Tellern und Kandelabern saß er fast jeden Abend allein in der Fabrik und bemalte ausrangierte Teller voller Kerben vom Stapeln oder Riffeln, die beim ersten Brennen ineinander geflossen waren.
    Er schaffte es nicht.
    Die Farben für Spitzen und Blumen zu dämpfen war das eine, es war etwas ganz anderes, sich über einen ganzen Wasserfall herzumachen. Oder einen Himmel mit einer planlosen Gruppe aus blauen Wolkenfusseln, die sich am Blauen anklammerten, über groben kleinen Holzhäusern, die Schatten warfen. Ecken, scharfe rechtwinklige Ecken - Mogens war einfach nicht daran gewöhnt, so etwas zu malen. Auf den Skizzen war das kein Problem, aber mit dem Pinsel in der Hand . . . Arnold Krog hatte seinerzeit
seine halbmeterhohen Vasen dekoriert, auf denen ihm offenbar kein Motiv fremd gewesen war. Er hatte auch andere, selbst entwickelte Unterglasurfarben genutzt, um den Farbton auch beim zweiten Brennen zu erhalten. Poulsen setzte diese Experimente fort.
    Und gerade das erschien Mogens als Verrat. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis auch die inzwischen berühmten Weihnachtsteller unter der Glasur Schmutzigrot und Blassgrün aufweisen würden. Dass Poulsen das nicht begreifen konnte! Dass Blau das Königliche Porzellan ausmachte! Hier malte man keine schnöden schreiend bunten Tivolikulissen. Wenn man die Regenbogenfarben verwenden wollte, dann malte man auf der Glasur, was nach einiger Übung alle schafften. Dann war das nicht für immer. Man konnte wegstreichen und auswischen, konnte sich die Sache anders überlegen. Auf der glatten Oberglasur malte man wie auf Glas. Nichts war endgültig, solange die Farbe nicht trocken gebrannt war. Für Flora Danica brachte niemand Achtung auf. Schnöde Oberglasurbemalung. Siebenhundert unterschiedliche dänische Pflanzen auf siebenhundert Teller mit Goldrand zu malen, wo jeder Teller zweiunddreißig Farbbrennungen brauchte, was bedeutete das? Das bedeutete eine endlose Mühsal, um die Natur auf ein Porzellan zu übertragen, das sich nur die oberste Oberklasse leisten konnte. Die Pflanzen konnten sie sich aber genauso gut ansehen, wenn sie Spaziergänge durch die dänische Heide oder einen Buchenwald machten oder wenn sie sich ein Pflanzenbuch kauften. Porzellanschönheit war etwas anderes – Deutung nämlich, Vereinfachung, es ging darum, den Kern des Schönen zu finden. Um ihn danach in ein kleines Zimmer zu bringen, auf eine Tischdecke, unter einen Kuchen, zu Kaffee in den Tassen und ehrlichen Menschen um einen Tisch. Bei Flora Danica suhlten die Maler sich in Farben, und es wollte kein Ende nehmen. Aber es war äußerlich. Nachdem die Oberglasur das Porzellan für ewig verschlossen hatte. Das Blaue war endgültig und zugleich der Beginn. Das matte
Porzellan sog gierig die Farbe ein, und damit war es geschehen. Sie ließ sich nicht mehr entfernen. Das nackte Porzellan vergab nie.

    Der erste Haugfossen, den er malte, sah aus wie eine Kaskade aus Tinte, nicht aus Wasser. Gras und Bäume sahen aus wie Flammen, alles um den Wasserfall schien lichterloh zu brennen. Es war geradezu hässlich. Wenn die Tür zur Blaumalerstube aufging, musste er sofort zu einem Essteller in Halbspitze greifen, der schon bereit lag, und sich über Ranken und Chrysanthemen hermachen.
    Es verstimmte ihn, dass er das nicht schaffte. Sein neues Zimmer war ihm zuwider, und er sehnte sich nach Anne-Gine. Von dem Sofa bekam er Rückenschmerzen. Er trank kein Bier mehr, der Rausch konnte ihm keine Freude mehr bringen. Der Frühling ging in den Sommer über, aber er mochte nicht daran teilnehmen. Wenn bei der Arbeit der Akkord erfüllt war und Carl-Peter mit seiner Zigarre und seinem Gefasel Feierabend machte und auch die anderen Maler erleichtert aufatmeten, weil sie jetzt in den Sommerabend hinausdurften, blieb Mogens allein dort sitzen. Die Fabrik wurde nicht abgeschlossen, unten wurde rund um die Uhr gearbeitet, immer war eine neue Schicht am Werk.
    Seine Zungenspitze drohte in seinem Mundwinkel zu vertrocknen. Bei jedem Pinselstrich ging es um Wasser, Gras und Himmel. Und um Menschen. Plötzlich war ihm aufgegangen, dass seine Bilder Menschen enthalten mussten, die mit dem Erz und den Pferden

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