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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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passe schon auf.«
    Sie fand seine Stimme und den deutschen Klang wunderbar. Rudi, Rudi . . .
    »Danke, vielen Dank. Ich bin die Malie, und Sie? Ach, jetzt erkenne ich Sie! Du bist der berühmte Fotograf, nicht wahr?«
    Eigentlich hätte sie das im Halbdunkel nicht erkennen können, aber er ging ihr sofort auf den Leim.

    Sie gingen zusammen wieder ins Haus. Im Licht erkannte er sie dann auch. Er wusste auch das mit der Hauptrolle noch. Er lächelte mit winzigen Fältchen um die Augen, kam ihr aber durchaus nicht alt vor. Sie setzte sich an seinen Tisch und ignorierte Tutts Gewinke aus der Ecke. Sie ließ sich zu Wein und Zigaretten einladen. Sie kippte den Wein wie Wasser hinunter. Mit diesem Mann wollte sie sich betrinken, ehe sie flirtete. Nicht um es zu ertragen, sondern um es zu wagen. Bei diesem Mann wurde sie fast prüde. Sie wünschte sich plötzlich, hier als Jungfrau zu sitzen, und dann lachte sie laut über diese Gedanken. Vermutlich war er Professor in irgendeinem Fach, sie müsste demütig und verlegen sein, alle Deutschen waren Professoren, und die Österreicher waren das sicher auch. Ein kluger und weltmännischer professoraler Künstler. Er schien von ihr entzückt zu sein.
    Sie zog ihr Kleid hoch und setzte sich gerade hin, und nach einer ganzen Flasche Wein sagte sie ganz offen, dass sie in ihn verliebt sei. Seine Augen funkelten wie Edelsteine, seine Wimpern waren blond, sie lagen wie Rüschen über dem dunklen Grund. Das Einzige, was sie wollte, war, ihn zu küssen, zu küssen, seiner Zunge zu begegnen.
    Plötzlich stand die Sardelle hinter ihrem Stuhl, mit strähnig herabhängenden Haaren. Er sah aus wie ein Schimpanse mit Schnurrbart.
    »Geh weg«, sagte sie. »Ich bin beschäftigt, das siehst du doch.«
    »Ja, das sehe ich.«

    »Geh weg. Geh nach Hause zu deiner kleinen Frau. Die hat Geburtstag.«
    »Was?«
    »Zisch ab, zum Henker!«
    »Aber Malie ... ich liebe dich doch!«
    »Aber ich liebe dich nicht. Ich bin Künstlerin, und du bist ein Zylinder. Leb wohl, mein Sardellchen.«
    »Komm, lass uns gehen«, sagte Rudolf und holte ihre Jacke und ihre Tasche. Die Sardelle stand mit bebenden Lippen da und starrte sie an, während sie im Stehen das Glas leerte.
    »Sardellchen? Aber du kannst doch nicht einfach ...«
    »Klar kann ich. Frag lieber Tutt, ob sie dich haben will.«

    Auf der Straße sang sie für ihn und hatte keine Ahnung, wohin sie gehen würden.
    »Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt – ja, das ist meine Welt, und sonst gar nichts. Jeg er fra top til tå for kærlighed kun skabt, ja nu er det sagt-kom elsk miiiiig ... So klingt das auf Dänisch, Rudi. Bist du Professor?«
    »Ja.«
    Sie gingen durch die 0strigsgade, was sie schrecklich komisch fand, und weiter durch die Holmbladsgade. Dort wollten ihre Füße nicht mehr, und sie zog die Schuhe aus. Er passte auf, dass sie nicht auf Glasscherben oder Steine trat. Er kam ihr nicht mehr betrunken vor, sondern schien sich nüchtern gezecht zu haben.
    »Ich liebe dich, Rudi.«
    »Das hast du gesagt.«
    »Wie lange bleibst du in Kopenhagen?«
    »Ich muss bald nach Berlin. Nächste Woche. Die Ausstellung geht dorthin.«
    »Nein!«
    Das hätte sie nicht fragen dürfen. Damit hatte sie Ernst in die Sache gebracht.

    »Du kannst mitkommen«, sagte er.
    Sie blieb mitten auf dem staubigen Bürgersteig stehen. Das ergab doch keinen Sinn. War er verliebt? In sie?
    »Ich bin nächste Woche im Rode Kro fertig. Hast du mich ein kleines bisschen gern? Warum soll ich mitkommen? Bist du doch nicht verheiratet?«
    Die Höflichkeitsfloskeln lagen hinter ihnen.
    »Magst du mich ein bisschen?«, fragte sie noch einmal.
    »Ja. Du bist so lebendig. Ich möchte dich fotografieren.«
    Wenn die Sardelle das gesagt hätte, hätte sie laut und höhnisch gelacht. Stattdessen brach sie in Tränen aus.
    »Aber, mein Schatzerl ...«
    Er küsste sie, und sie hätte in seinen Armen ohnmächtig werden mögen. Nach Berlin. Mit einem weltberühmten Fotografen. Tutt würde das nicht glauben wollen.

    Später in dieser Nacht erfuhr sie, dass seine Frau Eva hieß, dass sie eine Tochter namens Therese hatten, und dass sie sehr glücklich waren, aber das spielte schon keine Rolle mehr. Hier lag doch sie, den Mund voll von ihm, in einem ziemlich großen und schönen Zimmer, mit Muschelmusterkanne und Waschschüssel, die zum Gebrauch bereit standen. Aber im Moment lag ihr nichts ferner als eine Ausspülung mit Essig. Sie mussten eben vorsichtig sein. Außerdem liebte

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