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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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einem bemoosten Fels nieder, und mit kraftloser Stimme sagte er: »Wie es scheint, ist dies die Peripetie unsres Abenteuers.«
    »Woher kann Santing gewusst haben, wohin wir wollten?«, fragte Arnim, aber niemand konnte ihm Antwort geben. »Wer hat ihn auf die Spur der Engländer gesetzt, und wie konnte er Sir William ermorden und davonkommen?«
    »Diesmal fühlten Sie sich wohl nicht verfolgt«, sagte Goethe zu Schiller. »Sollte Ihr gutes Gespür Sie verlassen haben, mein teurer Freund?«
    »Um ganz ehrlich zu sein, Herr von Goethe, fühlte ich mich nach Mainz ebenso verfolgt wie davor in Cisrhe nan. Nur erschien mir der Gedanke bis heute Morgen noch töricht, und ich wollte die allgemeine Hochstimmung nicht durch Kassandrarufe trüben. Seien Sie versichert, ich werde künftig keine Ahnung mehr verschweigen.«
    Goethe nickte. »Gut, meine Freunde; geraten wir über diese Erschwernis nicht in Panik. Herr von Kleist, gönnen Sie dem Gehölz einen Moment der Ruhe, und gesellen Sie sich wieder zu uns.« Kleist tat, wie ihm geheißen, nachdem er einen letzten Ast durchgetreten hatte.
    »Nach Eisenach können wir vorerst nicht, so viel steht fest«, erklärte Goethe. »Wir könnten hier warten, bis der Herzog in die Stadt gekommen ist – denn das wird er mit Sicherheit, um der Angelegenheit auf den Grund zu gehen.«
    »Hier darf der Prinz nicht bleiben«, widersprach Schiller. »Hier nicht, jetzt vollends nicht. Wenn wir nicht in ihr Netz tappen, wird die Spinne Santing es bald verlassen und nach uns suchen.«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung, mein Freund. Vollkommen sicher vor den Nachstellungen der Franken sind Karl und wir wohl nur in Weimar selbst.«
    »Aber wenn wir nach Weimar wollen, müssen wir durch Eisenach. Es führt kein andrer Weg nach Weimar.«
    Jetzt meldete sich Kleist zu Wort. »Es braucht der Tat, nicht der Verschwörungen! Was spricht gegen eine offe ne Bataille? Frankreichs ganze Kriegsmacht, wahrlich, scheu ich nicht! Wir haben den Vorteil der Überraschung auf unsrer Seite, wir haben Waffen und Munition genug und in Mainz eine ganze Garnison besiegt! Jetzt oder niemals ist es Zeit, dies Räubergesindel aus Teutschland zu vertreiben oder unsre Saaten mit ihrem Blut zu tränken! Ein Auge haben wir diesem Halunken schon genommen – ich sage, nehmen wir ihm auch den Rest.«
    »An Ihrer Verwegenheit ist nicht zu zweifeln, Herr von Kleist, aber Ihr Wille lockt die Taten nicht herbei, und Ihr Mut stellt sich die Schlacht zweifelsohne leichter vor. Vergessen wir nicht, dass unser Gastspiel in Mainz um Haaresbreite zum Trauerspiel geworden wäre. Wer weiß, ob uns Fortuna auch diesmal wieder hold ist? Und wer kann sagen, wie viele fränkische Soldaten Santing mit sich nach Deutschland geschmuggelt hat? Man lebt nur einmal in der Welt, also fordern wir unser Glück nicht heraus.«
    »Weiter können wir nicht, bleiben können wir nicht, was dann?«
    Aus der Kutsche holte Goethe eine der Karten, die Voigt ihm mitgegeben hatte, und entfaltete sie auf dem Waldboden. »Auf einem Umweg nach Weimar«, sagte er. »In einem Bogen, der so groß ist, dass wir Santings Netz umgehen. Entweder im Süden, im Schatten des Thüringer Waldes durch Baiern …«
    »Nimmer zu den entarteten Baiern! Nimmer zum ungroßmütigsten aller teutschen Fürsten! Dann lieber gleich zurück nach Frankreich!«
    »Heinrich hat recht«, sagte Schiller. »Bonaparte hat im Deutschen Reich keinen treuem Diener als den Kurfürs ten. Davon ganz abgesehen, dass Santing selbst aus Baiern kommt.«
    »Also weiter geradeaus, über Preußen und Sachsen zurück nach Thüringen und dann nach Weimar von Norden aus.«
    Der Halbkreis, den Goethes Finger auf der Landkarte von ihrem jetzigen Standort bis Weimar schlug, fand die allgemeine Zustimmung der Gruppe, und man einigte sich ebenfalls darauf, diese Nacht durchzureiten, da die Pferde von der langen Rast noch frisch waren.
    Als sie nach und nach die Sättel wieder auf die Pferderücken hoben, sagte Arnim: »Herr Geheimrat, ich werde nun aber auf Ihr Angebot zurückkommen, dass Sie uns zwei Pferde für die Rückkehr nach Frankfurt überlassen. Bettine und ich müssen uns aus verständlichen Gründen hier von der Gesellschaft trennen.«
    Bettine, die gerade den Riemen ihres Sattels festzog, war noch mehr als alle anderen von dieser Kunde überrascht. Ohne ein Wort zu sagen, fasste sie Arnim bei der Hand und ging mit ihm zum Bach, in den Schatten der schwarzen, bemoosten Balken der gewesenen Brücke.
    Bevor sie

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