Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
vielleicht sogar noch bis Tiola oder Kankan lebenden Völker, aus dem Gröbsten heraus und damit würdig sind, mit einigen politischen Rechten belehnt zu werden, will ich gern zugestehen, obwohl ich nicht überzeugt bin. Aber hinter Sikasso? … Man wird doch nicht etwa daran denken, diese Wilden, die uns umringen, diese Bobos, die noch mehr Tiere als Menschen sind, zu Wählern machen zu wollen, sollte ich meinen! Worauf bestehen wir aber dann noch mit solcher Hartnäckigkeit? Hat sich nicht bereits klar herausgestellt, daß die Eingeborenen, je weiter man sich nach Osten begibt, das heißt sich von der Küste entfernt, immer weniger Berührung mit den Europäern haben und infolgedessen ihr Firnis an Zivilisation (?) immer dünner wird?
Diese Wahrheiten scheinen mir derart in die Augen zu springen, daß ich mich wundere, weshalb meine Reisegefährten nicht gleichermaßen von ihnen überzeugt sind.
Gehen wir den Tatsachen auf den Grund: vielleicht sind sie es sogar, haben aber ihre Gründe, die Augen davor zu verschließen. Diese Frage sollte man prüfen.
Erstens: Hauptmann Marcenay. Für ihn stellt das Problem sich nicht. Der Hauptmann hat nicht zu räsonnieren, sondern zu gehorchen. Im übrigen stelle ich mir vor, daß selbst wenn kein Befehl vorläge, der Gedanke an Rückzug ihm nicht käme, solange Mademoiselle Mornas weitermarschiert. Die Sympathie, die die beiden füreinander hegen, hat sehr viel raschere Fortschritte gemacht, als wir selbst sie seit Sikasso zu verzeichnen haben. Wir haben eine offiziell bestehende, beiderseits eingestandene Leidenschaft vor uns, die logisch zur Heirat führen muß, und so unleugbar vorhanden ist, daß sogar Monsieur Barsac auf seine Erobererallüren verzichtet hat, um wieder ganz und gar zu dem trefflichen Mann zu werden, der er in Wirklichkeit ist. Aber fahren wir fort.
Zweitens: Monsieur Poncin. Auch Monsieur Poncin ist ein Untergebener, und auch er gehorcht. Um zu erraten, was er in den Tiefen seines Bewußtseins denkt, müßte man sehr scharfsinnig sein. Monsieur Poncin macht sich von früh bis spät Notizen, aber er ist so schweigsam, daß selbst Hermes ihm nachstehen würde. Ich möchte schwören, daß er seit unserem Aufbruch noch keine zehn Worte gesprochen hat. Meine persönliche Meinung ist, daß er der Frage indifferent gegenüber steht. Also kümmern wir uns nicht weiter um Monsieur Poncin.
Drittens: Saint-Bérain. Das ist ein anderer Fall. Saint-Bérain sieht die Dinge nur mit den Augen seiner Tante respektive Nichte. Er existiert nur durch sie. Im übrigen ist Saint-Bérain so zerstreut: er weiß vielleicht nicht einmal, daß er in Afrika ist. Betrachten wir also auch Nummer drei als erledigt.
Viertens: Mademoiselle Mornas. Wir kennen den Grund ihrer Reise. Sie hat ihn uns gesagt: ihre Laune. Dieser Grund würde genügen, selbst wenn unser Zartgefühl uns nachzuforschen verböte, ob in Wirklichkeit auch noch ein anderer vorhanden ist.
Fünftens: ich. Nummer fünf ist der einzige, dessen Verhalten vollkommen logisch ist. Was ist mein Lebenszweck? Das Schreiben von Artikeln. Nun aber habe ich um so mehr Stoff, je mehr Schwierigkeiten aller Art uns begegnen, und desto zufriedener werde ich demgemäß sein. Infolgedessen ergibt sich für mich ganz eindeutig, daß ich an Rückzug nicht denken kann. Also denke ich auch nicht daran.
Bleibt noch Monsieur Barsac. Er seinerseits schuldet niemandem Gehorsam, er ist in niemanden verliebt, er hat bemerken müssen, daß wir in Afrika sind, er ist zu ernst, um einer Laune nachzugehen und hat keine Zeitungsartikel zu placieren. Was bleibt dann? …
Dieses Problem beschäftigt mich so sehr, daß ich ganz einfach die Frage ihm selber stellen werde.
Monsieur Barsac sieht mich an, bewegt den Kopf von oben nach unten und antwortet mir mit einer nichtssagenden Geste. Das ist alles, was ich aus ihm herausbekomme. Man sieht, er ist an Interviews gewöhnt.
7. Februar. – Wieder hatten wir eine äußerst bewegte Nacht. Die Folge davon: Wir sind nicht zur gewohnten Zeit abmarschiert, und werden es heute nur zu einer einzigen, der Abendetappe bringen.
Doch will ich die Tatsachen nun in ihrem zeitlichen Ablauf berichten. Man wird notgedrungen zu dem Schluß gelangen, daß Zerstreutheit manchmal auch ihr Gutes haben kann.
Gestern war beschlossen worden, zu Moriliré nichts zu sagen, sondern sich auf scharfe Überwachung seiner Person zu beschränken. Zu diesem Zweck und in der Absicht, unser Objekt im Auge zu behalten, ohne die
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