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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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vorbeigingen.
    »Das ist Spot, unser Kater.« Ein Mädchen war an uns vorbeigeschwebt und hatte einen Teller auf dem Esstisch abgestellt. Unverkennbar Graysons Zwillingsschwester, sie hatte die gleichen hellbraunen Augen. »Und ihr müsst Liv und Mia sein. Ann hat uns schon so viel von euch erzählt. Das ist aber eine süße Frisur, die du da hast.« Das Lächeln schien ihr genauso leichtzufallen wie ihrem Bruder, bei ihr sah es aber noch liebenswürdiger aus, weil sie Grübchen in den Wangen hatte, ein dazu passendes Stupsnäschen und einen zarten, sommersprossigen Teint. »Ich bin Florence. Freut mich so, euch kennenzulernen.« Sie war klein und zierlich, aber mit üppiger Oberweite, das Gesicht wurde von glänzenden, kastanienbraunen Locken umrahmt, die sich bis auf ihre Schultern kringelten. Mia und ich konnten sie nur anglotzen. Sie war absolut umwerfend.
    »Was für ein hübsches Kleid, Ann«, sagte sie zu Mum, mit einer Stimme süß wie Honig. »Blau steht dir ganz wunderbar.«
    Plötzlich kam ich mir nicht nur grobschlächtig, besendürr und langnasig vor, sondern vor allem entsetzlich unreif. Mum hatte recht: Wir hatten wirklich keine Manieren. Wir hatten mit finsteren Blicken und pampigen Worten (und Schweizer Käse) um uns geworfen, nur um sie zu strafen. Wie bockige Kleinkinder, die sich im Supermarkt schreiend auf den Boden schmissen. Florence und Grayson hingegen gaben sich keine Blöße, sie benahmen sich erwachsen. Sie ließen sich nichts anmerken, sie lächelten, verteilten Komplimente und betrieben höfliche Konversation. Vielleicht freuten sie sich ja wirklich, dass ihr Vater unsere Mum kennengelernt hatte. Vielleicht taten sie aber auch einfach nur so. In jedem Fall waren sie uns weit überlegen.
    Beschämt beschloss ich, mich ab jetzt genauso wohlerzogen und höflich zu verhalten. Was sich allerdings als nicht ganz so einfach herausstellen sollte.
    »Zur Vorspeise gibt es nur eine Kleinigkeit.« Als alle ihren Platz eingenommen hatten, lächelte Florence Mia und mich von der anderen Tischseite herzlich an. »Weil Mrs Dimbleby viel zu viele Wachteln eingekauft hat. Ich hoffe, ihr mögt sie mit Selleriepüree.«
    Tja, da fing es schon an. Sellerie. Würg. »Das klingt … interessant«, sagte ich so höflich und erwachsen wie nur möglich. »Interessant« passte eigentlich immer.
    »Leider bin ich Vegetarierin«, behauptete Mia, wie so oft viel schlauer als ich. »Außerdem habe ich diese dumme Allergie gegen Sellerie.«
    Und du bist bis oben hin vollgestopft mit Weihnachtskeksen, ergänzte ich stumm.
    »Oh, na, dann mache ich dir ein Sandwich, wenn du möchtest.« Florence lächelte so strahlend, dass es in den Augen wehtat. »Ihr wohnt in der Stadtwohnung der Finchleys, nicht wahr? Sammelt Mrs Finchley noch diese zauberhaften Porzellanfigurinen?«
    Ich überlegte, ob ich noch einmal »Ja, ganz interessant« sagen konnte, ohne negativ aufzufallen, da hatte Mia schon an meiner Stelle geantwortet: »Nein! Jetzt sammelt sie ganz grauenhafte, kitschige Teile. So grenzdebil dreinschauende Tänzerinnen.«
    Ich senkte meinen Blick rasch auf den Vorspeisenteller, um nicht zu kichern. Was zur Hölle sollte das Zeug darauf eigentlich darstellen? Den dünnen roten Lappen konnte ich als Fleisch identifizieren, aber was bitte war der stückige, matschige Haufen daneben?
    Grayson, der neben mir saß, schien meine Gedanken zu erraten. »Chutneys sind Mrs Dimblebys Spezialität«, sagte er leise. »Das ist ein Grüne-Tomaten-Chutney.«
    »Ah, äh, interessant.« Ich schob mir eine reichlich beladene Gabel in den Mund und hätte beinahe alles wieder ausgespuckt. Für einen Moment vergaß ich meine guten Vorsätze. »Schind da etwa Roschinen drin?«, fragte ich Grayson ungläubig. Grayson antwortete nicht. Er hatte sein iPhone aus der Hosentasche genommen und schaute unter dem Tisch auf das Display. Ich hätte ja aus purer Neugierde mitgeschaut, aber ich hatte genug damit zu tun, das abartige Chutney hinunterzuwürgen. Es wies außer den Rosinen auch noch Komponenten von Zwiebeln, Knoblauch, Curry, Ingwer und – ja! Eindeutig! – Zimt auf. Und etwas, was sich zwischen meinen Zähnen anfühlte wie morsche Hosenknöpfe. Mrs Dimbleby hatte wahrscheinlich wahllos alles hineingegeben, was gerade wegmusste und im Weg rumstand. Wenn das ihre Spezialität war, dann wollte ich nicht wissen, wie die Sachen schmeckten, die sie nicht so gut konnte.
    Mia grinste mich schadenfroh an, als ich mit einem Schluck Orangensaft

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