Das erste Buch der Traeume
oben würden sich für Lottie anbieten.«
Jetzt tickte Florence richtig aus. »Das Kindermädchen ?«, rief sie schrill und fuchtelte so wild mit ihrem Zeigefinger in der Luft herum, dass sie Mia damit beinahe in die Stirn piekte. »Die sind doch längst zu alt für eine Nanny … und dafür soll ich mein Dachgeschoss abgeben und mir mit drei Leuten ein Badezimmer teilen? Das ist doch wohl das Letzte!«
»Lottie ist viel mehr als ein Kindermädchen, sie übernimmt auch nahezu alle Haushaltsarbeiten, das Einkaufen und das Kochen«, sagte Ernest. »Und als … äh … äußerst wichtiger emotionaler Faktor ist sie im Moment nicht aus dieser Konstellation wegzudenken.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass wir Lottie brauchen«, sagte ich leise.
»Natürlich nicht für immer«, beeilte sich Mum zu sagen. »Du hast völlig recht, Florence, Mia und Liv sind eigentlich viel zu alt für eine Nanny. Vielleicht bleibt Lottie noch ein Jahr, vielleicht auch nur noch ein halbes …« Sie sah, dass Mias Unterlippe zu beben begann, und fügte hinzu: »Wir werden einfach sehen, wie lange sie noch gebraucht wird.«
Ich griff unter dem Tisch nach Mias Hand und drückte sie. Nicht weinen , beschwor ich sie stumm. Denn ich fürchtete, wenn Mia anfing zu weinen, würde ich mitweinen müssen.
»Und was ist mit Mrs Dimbleby?«
»Mrs Dimbleby möchte schon seit Jahren kürzertreten«, sagte Ernest. »Sie wird sich freuen, wenn sie hier nur noch ein oder zwei Tage die Woche gebraucht wird.«
»Grayson! Hast du das gehört?«, rief Florence.
Grayson hob den Kopf. Er war doch tatsächlich immer noch mit seinem iPhone zugange. »Natürlich«, sagte er.
Aber Florence schien ihm das nicht abzunehmen. Schreiend fasste sie die Erkenntnisse des Abends noch einmal für ihn zusammen: »Dad will nicht nur, dass Ann und ihre Kinder hier einziehen und wir alle unsere Zimmer räumen und uns zu viert ein Bad teilen« – an dieser Stelle kam es mir vor, als würden die Fensterscheiben zu klirren beginnen, so laut war ihre Stimme –, »er will auch Mrs Dimbleby kündigen und stattdessen Anns Nanny einstellen! Die meine Zimmer unter dem Dach bekommt.«
»Oh«, sagte Grayson. »Das ist ja blöd. Dann müssten wir durch ihr Schlafzimmer, um auf den Speicher zu unserem Billardtisch zu kommen.«
Florence stöhnte. »Sag mal, kapierst du überhaupt, was Dad eben gesagt hat? In drei Wochen werden sie hier einziehen …«
»In zwei Wochen, um genau zu sein. Ich habe mir extra einen Tag Urlaub genommen«, warf Ernest ein. »Und vorher müssen noch diverse Malerarbeiten erledigt werden.«
»Sie werden hier einziehen, mit Sack und Pack und Kindermädchen!«
»Und Hund«, ergänzte Mia.
»Und Hund«, wiederholte Florence. Ihre Kräfte schienen sie verlassen zu haben, sie schrie nicht mehr, das Wort »Hund« kam kaum mehr als ein Flüstern heraus. Wie aufs Stichwort baute sich der rote Kater vor dem Esstisch auf und miaute laut. Florences Gebrüll schien ihn eher angelockt als vertrieben zu haben.
Ernest lächelte. Ein wenig angeschlagen vielleicht, aber es war eindeutig ein Lächeln. »Nun. Das wäre also geklärt. Dann können wir ja jetzt die Wachteln aus der Küche holen, nicht wahr, Spot? Hilfst du mir, Ann?«
Mum stand so schnell auf, dass sie beinahe die Tischdecke mitgenommen hätte. »Nichts lieber als das«, sagte sie.
Der Kater folgte ihnen in die Küche.
6.
Grayson, Florence, Mia und ich blieben schweigend im Esszimmer zurück. So ähnlich musste man sich fühlen, wenn man von einer Lawine überrollt wurde. Ich hatte damit gerechnet, dass Ernest und Mum Pläne zum Zusammenziehen hegten, aber dass sie sie so bald in die Tat umsetzen wollten, hatte auch mich überrascht. Sie mussten sich ihrer Sache wirklich sehr sicher sein.
In die Stille hinein vibrierte Graysons Handy.
»War ja klar«, sagte Florence bitter. »Ach ja, und vielen Dank auch für deine Unterstützung, Grayson.«
»Entschuldigung.« Grayson starrte auf sein Display. »Aber das ist doch ohnehin alles beschlossene Sache, oder? Und hast du nicht gestern noch gesagt, dass du dich so für Dad freust?«
»Ja, tu ich auch. Aber es konnte ja niemand ahnen, dass sie sofort zusammenziehen wollen. Sie kennen sich ja kaum. Sie ist Amerikanerin . Sie könnte eine Heiratsschwindlerin sein oder eine Psychopathin oder …«
»… Messie, Kleptomanin, Republikanerin, Zeugin Jehovas …«, schlug ich vor.
»Das ist nicht witzig«, sagte Florence.
»Hast du was gegen
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