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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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nachspülte.
    »Aber kommen die Finchleys nicht nächsten Monat zurück aus Südafrika, Dad?«, fragte Florence.
    »Ja, das ist richtig. Ab dem ersten Oktober brauchen die Finchleys ihre Wohnung wieder für sich selber.« Ernest warf Mum einen kurzen Blick zu und holte tief Luft. »Genau darüber wollten wir heute Abend mit euch allen reden.«
    Das Display von Graysons iPhone flackerte. Als er meine neugierigen Blicke bemerkte, schob Grayson seine Hand noch tiefer unter den Tisch, als habe er Angst, ich könnte mitlesen. Dabei interessierten mich seine SMS eher weniger. Viel spannender fand ich die Tätowierung an der Innenseite seines Handgelenks. Schwarze Buchstaben, halb verdeckt vom Saum seines T-Shirts.
    »Du gehörst zu der Blondinen-Boygroup aus der Schule«, flüsterte ich. »Deshalb kamst du mir so bekannt vor.«
    »Wie bitte?«
    »Wir kennen uns bereits. Ich habe dich und deine Freunde heute in der Schule gesehen.«
    »Ach wirklich? Kann ich mich gar nicht dran erinnern.«
    Natürlich nicht. Er hatte mich ja auch überhaupt nicht angeguckt. »Macht doch nichts. Hübsches Tattoo.« Sub um …, den Rest konnte ich leider nicht lesen.
    »Was?« Er war meinem Blick gefolgt. »Ach das. Das ist kein Tattoo. Das ist Filzstift. Äh, Notizen für Latein.«
    Ja, klar. »Interessant«, sagte ich. »Zeig mal!«
    Aber Grayson dachte gar nicht daran. Er zog den T-Shirt-Ärmel über die »Notizen« und widmete sich wieder seinem iPhone.
    Das war wirklich interessant. Geistesabwesend schob ich mir noch eine Gabel mit Chutney in den Mund. Böser Fehler – beim zweiten Bissen schmeckte es noch grauenvoller als beim ersten. Immerhin konnte ich die morschen Hosenknöpfe dieses Mal als Walnüsse identifizieren.
    »Ja, es ist nämlich so …« Ernest hatte eine feierliche Miene aufgesetzt und nach Mums Hand gegriffen. Mum lächelte angestrengt das hübsche Blumenarrangement aus blauen Hortensien in der Mitte des Esstischs an. Ohne Zweifel wurde es jetzt ernst.
    »Ann … also eure Mum … also …« Ernest räusperte sich und fing noch einmal von vorne an. Dieses Mal stotterte er nicht, dafür hörte er sich an, als würde er vor dem Wirtschaftsausschuss des europäischen Gerichtshofs sprechen. »Ann und ich haben beschlossen, das Fiasko mit dem Cottage als Wink der Fortuna zu deuten, unsere Beziehung zu konsolidieren und das Problem mit der Wohnsituation dadurch zu dispensieren, indem wir gewissermaßen … fusionieren.«
    Nach dieser Ankündigung herrschte fünf Sekunden lang Schweigen, dann bekam ich einen fürchterlichen Hustenanfall, weil ich beim nach Luft schnappen eine Rosine in die Luftröhre bekommen hatte. Es dauerte eine Weile, bis ich das Problem beho… Verzeihung, dispensiert hatte. Die Augen tränten mir, aber ich konnte deutlich erkennen, dass Florence mir gegenüber nun nicht mehr lächelte. Sogar die Sonne hatte aufgehört durch das Fenster zu scheinen, sie war hinter dem Dach des Nachbarhauses untergegangen. Grayson allerdings war unter dem Tisch immer noch mit dem Handy zugange. Wahrscheinlich googelte er »konsolidieren«. Dabei lag die Bedeutung ja wohl auf der Hand.
    »Lottie sagt, wenn man unbedingt Fremdwörter benutzen muss, dann wenigstens richtig«, sagte Mia.
    »Ja, was genau soll das denn heißen, Dad?« Florences Stimme war nun nicht länger honigsüß. Sie klang eher so, wie das Chutney schmeckte. »Dass ihr eine gemeinsame Wohnung sucht? Jetzt sofort? Aber ihr kennt euch doch erst ein halbes Jahr …«
    »Gewissermaßen … eigentlich nein.« Ernest lächelte immer noch, aber er hatte winzig kleine Schweißtropfen auf seiner Glatze. »Wir haben nach gründlicher Überlegung … in unserem Alter ist Zeit ein kostbares …« Er schüttelte den Kopf. Offensichtlich ärgerte ihn sein eigenes Gestotter maßlos. »Das Haus ist groß genug für uns alle«, sagte er schließlich energisch.
    »Und ihr seid ja hier aufgewachsen«, sagte Mum. Ihre Mundwinkel zitterten leicht. »Wir wollten euch in eurem letzten Schuljahr auf keinen Fall einen Umzug zumuten.«
    Nee, klar, Umzüge waren nämlich gar nicht gut für das seelische Gleichgewicht Jugendlicher. Das sah man ja an uns. Mia gab einen merkwürdigen Laut von sich, so wie Buttercup, wenn man ihr auf die Pfote trat.
    »Wir sollen in dieses Haus hier ziehen?«, fragte sie dann leise. »Und alle zusammen hier wohnen?«
    Ernest und Mum, die sich immer noch an den Händen hielten, tauschten einen kurzen Blick.
    »Ja«, sagte Ernest dann mit fester Stimme.

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