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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Vaters sind für ihr Gehalt draufgegangen. Und zweitens ist sie gerade mal einunddreißig – wenn das alt ist, was bin denn dann ich, bitte?«
    »Uralt«, sagte Mia mit vollem Mund.
    Mum seufzte.
    »Was hat Lottie denn zu ihrer bevorstehenden Kündigung gesagt?«
    »Bestimmt hat sie geweint.« Mia sah aus, als würde sie selber gleich mit dem Weinen anfangen. »Arme alte Lottie.«
    »Unsinn«, sagte Mum. »Natürlich wird Lottie euch vermissen, aber sie freut sich auch auf neue Herausforderungen.«
    »Ja, klar doch.« Wollte sie uns etwa für dumm verkaufen?
    »Außerdem ist es noch lange nicht so weit«, sagte Mum. »Bis Ostern wird sie ja auf jeden Fall bei uns bleiben, vielleicht auch bis Schuljahresende. Wir werden sehen. Jedenfalls hat sie genug Zeit, sich zu überlegen, was sie danach machen will.«
    »Buttercup wird sicher magersüchtig, wenn Lottie nicht mehr da ist«, sagte Mia. »Wisst ihr noch, als Lottie nach Deutschland musste, weil ihre Oma gestorben war? Da hat Butter sieben Tage lang nichts gefressen.«
    Ich sah zur Tür, aber Lotties Viertelstunde war noch nicht um. »Bestimmt versucht sie, tapfer zu sein, die arme Lottie. Das wird ihr das Herz brechen.«
    »Vielleicht nehmt ihr euch auch einfach ein bisschen zu wichtig«, sagte Mum. »Könntet ihr eventuell mal in Erwägung ziehen, dass jemand sein Leben auch ohne euch genießen kann?«
    »Ja, ich wette, du träumst davon, seit du Mr Spencer kennst«, sagte Mia.
    Mum verdrehte ihre Augen. »Im Ernst, ihr Mäuse, jetzt seid doch nicht so egoistisch. Lottie könnte endlich einen Mann kennenlernen, sesshaft werden und eigene Kinder bekommen.«
    Mia und ich schauten einander an. Mit ziemlicher Sicherheit dachten wir gerade genau das gleiche.
    »Das ist überhaupt die Idee«, sagte Mia mit leuchtenden Augen. »Wenn wir wollen, dass Lottie glücklich wird, müssen wir ihr einfach nur einen Mann besorgen.«
    Jetzt lachte Mum. »Na dann – viel Spaß«, sagte sie.

10.
    Mein Schulspind hatte die Nummer 0013 und befand sich damit in absoluter Toplage am Anfang des Gangs. Ich hatte allerdings den Verdacht, dass er nur frei gewesen war, weil niemand die Nummer 13 hatte haben wollen. Wie gut, dass ich nicht abergläubisch war. An Unglückszahlen glaubte ich ebenso wenig wie an Horoskope oder daran, dass vierblättrige Kleeblätter und Schornsteinfeger Glück brachten. Von mir aus konnten an einem Freitag dem dreizehnten auch Spiegel zerbrechen und massenweise schwarze Katzen über die Straße laufen, egal ob von links nach rechts oder umgekehrt. (Lottie, die bei jeder Gelegenheit dreimal auf Holz klopfte, meinte, mein Misstrauen allem Übersinnlichen gegenüber läge in meinem Sternzeichen begründet, Waagen mit Aszendent Schütze seien geborene Skeptiker. Stets wollten sie den Dingen auf den Grund gehen und benötigten für alles Beweise, weshalb ich schon als Kleinkind die Existenz von Weihnachtsmann und Zahnfee angezweifelt hätte.)
    Der Spind war wunderbar geräumig, ich lud gefühlte fünfzig Kilo Schulbücher, Hefte und Ordner darin ab sowie meine Sporttasche und hätte immer noch Platz für einen Picknickkorb und einen Tennisschläger gehabt. Nicht, dass ich einen gebraucht hätte: In diesem Trimester hatte ich mich in Ermangelung echter Alternativen für Leichtathletik eingetragen. Eigentlich hätte ich gern etwas Landestypisches ausprobiert, aber das Sportangebot an der Frognal Academy war leider lange nicht so britisch, wie das altehrwürdige Wappen am Schultor hoffen ließ. Es gab für meine Jahrgangsstufe weder einen Ruderkurs noch Hockey, Kricket oder Polo – sehr enttäuschend.
    Als ich die Spindtür zuklappte, hätte ich beinahe vor Schreck meine Englischsachen fallen gelassen. Ich schaute nämlich direkt in das Gesicht von Rasierspaß-Ken, der mich mit weißen Zähnen breit angrinste. Sofort hatte ich wieder jedes Detail meines verrückten Traums vor Augen, einschließlich Rasierspaß-Ken im karierten Flanellschlafanzug.
    »Hi, Liz«, sagte er und streckte mir seine Hand entgegen. Ich war so verdutzt, dass ich tatsächlich danach griff und sie schüttelte. »Wir hatten gestern bereits das Vergnügen, uns kennenzulernen, aber da habe ich ganz versäumt, mich vorzustellen. Ich bin Jasper. Jasper Grant.« Als ich nichts erwiderte, lachte er. »Ja, richtig. Der Jasper Grant.« Unfassbarerweise lachte er genauso, wie er in meinem Traum gelacht hatte: selbstgefällig glucksend.
    Ich zog meine Hand zurück und versuchte, mir meine Verwirrung nicht

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