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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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war.
    Und auch Jasper schien sich an mich zu erinnern. Er zeigte auf meine Beine.
    »Das … das ist doch diese Missionarstochter, die heute mit Pandora Porter-Peregrins kleiner Schwester in der Schule unterwegs war!«, sagte er aufgeregt. »Erkennst du sie denn nicht, Henry? Stell sie dir mit einer dicken schwarzen Brille vor und einem Pferdeschwanz …«
    Henry sagte nichts. Grayson seufzte. Der Wind fuhr in die Zweige der Zeder und ließ noch mehr Nadeln und Zapfen auf mich herabregnen. Am Horizont zuckte ein Blitz entlang, und einen Wimpernschlag lang hatte ich wieder das Gefühl, im Nebel eine Gestalt zu erkennen.
    »Du meinst, dieses Mädchen gibt es wirklich?«, fragte Arthur. »Und sie geht auf unsere Schule? Bist du sicher?«
    »Ja«, beteuerte Jasper eifrig. »Sie ist eine neue Schülerin. Das ist so witzig, weil, als ich gehört habe, dass sie eine Missionarstochter ist, musste ich gleich daran denken, dass sie bestimmt noch Jungfrau ist. Stimmt’s, Henry – du hast auch mit ihr gesprochen. Erkennst du sie denn nicht wieder?«
    Henry schwieg immer noch. Er und Grayson sahen einander an, als würden sie stumme Zwiesprache halten. Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel.
    »Dann ist das ein Zeichen«, sagte Arthur. » Sie könnte die Auserwählte sein! Kennt jemand ihren Namen?«
    Donner grollte aus der Ferne.
    »Die Auserwählte«, wiederholte ich und legte dabei so viel Verachtung wie nur möglich in meine Stimme. »Sehr originell, wirklich. Wobei ich zugeben muss, dass das mit dem Stein hier durchaus … wer hat ihn eigentlich aus dem Boden geschoben?« Ich ließ mich von dem Granitquader gleiten, weil ich den Eindruck hatte, dass Jasper mir unter das Nachthemd starrte. Überhaupt kam es mir vor, als wären sie mir alle ziemlich nahe auf die Pelle gerückt. Die zuckenden Flammen tauchten ihre Gesichter von unten in orangefarbenes Licht und ließen Schatten über ihre Haut tanzen.
    Da, noch ein Blitz. Und wieder Donner, dieses Mal näher.
    »Den Namen finden wir morgen ganz leicht heraus – Pandoras kleine Schwester wird überglücklich sein, wenn ich sie danach frage.« Jasper lachte selbstgefällig. »Sie wird bei meinem Anblick vor Freude jedes Mal halb ohnmächtig.«
    Grayson murmelte etwas, aber so leise, dass es von Jaspers Gelächter, dem Blätterrauschen und dem Knistern der Flammen verschluckt wurde.
    Arthur hob indessen feierlich seinen Stock in die Höhe. »Wir haben verstanden, Gebieter der Nacht. Wir danken dir für deine Antwort. Und wir werden dich nicht noch einmal enttäuschen.«
    »Es tut mir leid, Arthur, aber sie ist ganz bestimmt nicht … äh …«, sagte Grayson ein bisschen lauter. Er rieb sich über die Stirn, und mittlerweile kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er das immer tat, wenn er verlegen war. »Dass sie hier ist, ist allein meine Schuld. Sie heißt Liv und ist die Tochter der Freundin meines Vaters. Und offenbar …« Er machte eine kleine Pause, in der er mich mit einem ärgerlichen Blick bedachte. »Offenbar kann ich nicht aufhören, an sie zu denken. Es tut mir leid, dass ich unser Ritual versaut habe.«
    Arthur schwieg. Er ließ den Stab sinken, streckte seine Hand aus, griff nach einer meiner Haarsträhnen und ließ sie langsam durch seine Finger gleiten. Ich zuckte zurück.
    »Echt jetzt?«, fragte Jasper. »Die Freundin von deinem Dad ist Missionarin?«
    Grayson seufzte wieder.
    Henry schaute mich nachdenklich an. »Es ist wirklich ein merkwürdiger Zufall, dass sie ausgerechnet während dieses Rituals in die Mitte unseres Kreises gefallen ist, Grayson«, sagte er leise, während ein weiterer Blitz den Himmel erhellte.
    »Entschuldigt«, sagte Grayson mit einem zerknirschten Schulterzucken. »Vielleicht sollten wir einfach noch mal von vorne anfangen.«
    »Du musst dich nicht entschuldigen.« Arthur streichelte mit dem Daumen über meine Haarsträhne in seiner Hand. Normalerweise hätte ich ihm auf die Finger geschlagen, aber aus irgendeinem Grund konnte ich mich nicht rühren. Der Traum war eindeutig aus dem Ruder gelaufen. Jeden Augenblick würde er in einen Albtraum umschlagen, das spürte ich genau. Und es gefiel mir nicht.
    »Ich glaube nicht an Zufälle«, sagte Arthur.
    »Ich auch nicht. Nicht mehr, seit …« Von Jaspers selbstgefälliger Miene war nichts mehr zu sehen. Jetzt wirkte er eher ängstlich. »… seit ihr wisst schon was passiert ist«, ergänzte er leise. »Wenn du sie näher kennst, Grayson, umso besser. Dann ist es einfacher für

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