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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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vielleicht nicht brillant, aber unter diesen Umständen trotzdem ziemlich schlau. Weil es ein Paradoxon war, jedenfalls für den unwahrscheinlichen Fall, dass es den Dämon wirklich gab. Und mit Paradoxa konnte man übelwollenden, übersinnlichen Mächten immer beikommen, das wusste ich aus der einschlägigen Literatur.
    Arthur hielt das zusammengefaltete Blatt in die Flamme einer Kerze und las einen lateinischen Satz aus dem Buch vor, während das Papier brannte und die Aschefetzen zu Boden schwebten.
    Und dann war es auch schon vorbei. Viel schneller, als ich gedacht hatte, gingen wir zum unangenehmen Teil des Abends über.
    »So schwören wir dir die Treue, dir, der du tausend Namen trägst und in der Nacht zu Hause bist«, sagte Arthur und reichte mir feierlich den Dolch. »Und das besiegeln wir mit unserem Blute.«
    Ich hielt den Dolch unschlüssig in die Höhe. Wieso musste mir ausgerechnet jetzt dieser Schüttelreim durch den Kopf gehen? Bist du deine Mutter leid, so halte einen Dolch bereit …
    »Wo genau?«, fragte ich.
    »Am besten in die Handfläche«, sagte Henry. »Da heilt es schneller als an der Fingerkuppe. Aber nicht zu fest, das Ding ist wirklich höllisch scharf. Wenn du willst, helfe ich dir.«
    »Nein, schon gut. Ich krieg das hin.« Ich holte tief Luft und drückte die Messerspitze gegen meinen Daumenballen. Sofort trat Blut aus. Aua. »Und jetzt?«
    »Hier hinein.« Grayson hielt mir den Kelch hin, der bereits mit einer roten Flüssigkeit gefüllt war. Igitt. Mit flauem Magen sah ich zu, wie ein kleines Rinnsal von Blut aus dem Schnitt über meine Hand floss und in den Kelch tropfte, zwei, drei …
    »Das genügt«, sagte Grayson, und Henry reichte mir ein Taschentuch, das ich auf die Wunde drücken konnte. Es brannte zwar ein bisschen, aber das war nicht weiter schlimm. Nicht ohne Stolz gab ich das Messer an Grayson weiter.
    Als alle reihum ihr Blut in den Kelch hatten tropfen lassen – Jasper tatsächlich mit geschlossenen Augen –, kam der allerschlimmste Teil: Arthur schwenkte die Flüssigkeit im Kelch eine Weile herum, damit sich alles schön vermischte, dann musste jeder einen Schluck davon trinken und sagen sed omnes una manet nox , was immer das auch hieß. (Aber alle haben eine Nachthand? Bei Nacht sind alle Hände aber eins? Mein Latein war wirklich schlecht.)
    Ich gab mir große Mühe, das Zeug zu schlucken, ohne es zu schmecken, aber das war gar nicht einfach. Beinahe hätte ich mich geschüttelt. Wenn das Rotwein sein sollte, war er mir hiermit für alle Zeit verleidet, auch ohne Blutbeigeschmack. Aber wenigstens musste ich nicht würgen.
    Die anderen waren deutlich cooler als ich, da sah man die Routine. Und Jasper nahm sogar zwei Schlucke, vermutlich baute er auf die desinfizierende Wirkung.
    »Nun ist der Kreis wieder vollständig, oh Herr der Schatten und der Finsternis«, sagte Arthur und machte ein zufriedenes Gesicht. »Wir warten auf deine Instruktionen, um das letzte Siegel zu brechen und unser Versprechen einzulösen.«
    »Aber lass dir ruhig noch ein bisschen Zeit dafür.« Es war natürlich Jasper, der das feierliche Schlusswort verderben musste. Er fing an, die Kerzen auszupusten. »Was denn? Ist doch wahr. Er kann ruhig noch warten, bis wir die Hinrunde gewonnen haben.«

24.
    »Seid Ihr schön?«, fragte Hamlet, und Florence, eine fragile Erscheinung in einem schlichten Gewand, die braunen Locken mit Bändern hochgesteckt, fragte verwirrt zurück: »Was meint Eure Hoheit?«
    »Toll, oder? Sie ist die perfekte Ophelia«, flüsterte Lottie neben mir, ohne den Blick von der Bühne zu lassen. Aber so perfekt war Florence gar nicht. Zu Hamlets Verdruss sprach sie nämlich dessen Text gleich mit: »Dass, wenn Ihr tugendhaft und schön seid, Eure Tugend keinen Verkehr mit Eurer Schönheit pflegen muss.«
    »Ähm, genau, ja, Ophelia«, sagte Hamlet. »Das wollte ich auch gerade sagen!«
    Florence lächelte fein. »Könnte Schönheit wohl besser’n Umgang haben als mit der Tugend?«
    Hamlet runzelte die Stirn. »Ja, freilich …«
    Weiter kam er nicht, denn Florence fiel ihm erneut ins Wort. »Denn die Macht der Schönheit wird eher die Tugend in eine Kupplerin verwandeln!«
    »Ihr nehmt die Worte mir aus dem Munde!«, sagte Hamlet. »Ich liebte Euch einst, doch jetzt seid Ihr nichts als eine doofe Kuh, die mir den Text klaut.«
    »Eine sehr … moderne Inszenierung«, flüsterte Lottie begeistert. »Auch das Bühnenbild ist avantgardistisch, diese Mischung aus Steam

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