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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Erklärung dafür gab, nämlich die Wahrscheinlichkeitsrechnung, konnte ich nicht …
    »Liv?«
    Ich nickte hastig. »Ja, ich weiß, was ich mir wünschen werde.«
    Henry hatte sich wie üblich mit dem Rücken an ein Bücherregal gelehnt und die Arme verschränkt. Jaspers Mutter schien eine Vorliebe für pastellfarbene Liebesromane zu hegen, und es irritierte mich sehr, gleich neben Henrys Kopf Titel zu lesen wie »Küss mich, Rebell!« und »Lass mich in deinen starken Armen sterben«. Am besten sah ich gar nicht mehr hin.
    Das Wohnzimmer der Grants war (von den Büchern mal abgesehen) durchaus geschmackvoll eingerichtet, jedenfalls wenn man sich die Möbel und Teppiche am richtigen Platz vorstellte – sie waren an die Wand gerückt worden, damit jemand – Arthur? – mit Kreide einen riesigen Drudenfuß auf den dunklen Holzboden hatte zeichnen können. Die geheimnisvollen, irgendwie kantigen Zeichen, die den Drudenfuß umrahmten, waren mir völlig fremd.
    Der Raum wurde durch Kerzen erleuchtet, die auf zwei Kommoden, dem Sideboard und den Fensterbänken standen, einige davon für meinen Geschmack etwas zu nahe an den Vorhängen. Jasper und Grayson waren damit beschäftigt, weitere Kerzen anzuzünden, die sie auf den Tischen verteilten. Aber gruselig war die Atmosphäre dadurch nicht. Das konnte auch an den vielen gerahmten Fotografien liegen, von denen einen Jasper und sein großer Bruder als Babys und Kleinkinder anstrahlten. Meine Güte, die waren ja echt knuffelig gewesen …
    »Überleg dir sehr genau, wie du deinen Wunsch formulierst«, sagte Arthur, den Blick in das Buch gesenkt. »Denn man wird ihn dir genauso gewähren … Und je komplizierter er ist, desto länger wird es dauern, das solltest du vielleicht auch noch wissen.«
    »Wie lange hat es gedauert, bis dein Wunsch in Erfüllung ging?« Obwohl ich die Frage ganz beiläufig gestellt hatte, hatte ich den Eindruck, dass alle im Raum kurz die Luft anhielten, um Arthur anzuschauen.
    Aber der schien das gar nicht zu bemerken. »Wir wahren Stillschweigen über unsere Wünsche«, sagte er, ohne vom Buch aufzublicken. Ah, er war bereits in den Schwulst-Modus übergegangen. Das sollte ihm vielleicht mal jemand sagen: Er sah zwar wunderschön aus im Licht der Kerzen, aber diese Sprechweise war absolut nicht sexy. »Das ist allein eine Abmachung zwischen dir und dem Schattenfürsten.«
    »Verstehe.« Mein Blick wanderte zu Henry hinüber, doch ich musste sofort wieder wegschauen, weil er seinen Kopf leicht schräg gelegt hatte, so dass gleich über seinem Ohr in pinkfarbenen Buchstaben »Wildes Begehren« zu lesen war. Oh, Gott, ich hasste Mrs Grants Buchgeschmack. Wieso konnte sie nicht Thriller sammeln?
    »Die Formeln, die du gleich nachsprechen sollst, sind größtenteils auf Latein«, fuhr Arthur fort. »Wir sollten also kurz ihre Bedeutung durchgehen, damit du gleich während der Zeremonie nicht danach fragen musst.« Er strich leicht über den Einband des Buches. »Es ist nicht viel. Im Wesentlichen schwörst du dem Herrn der Schatten deine Treue, bis dass das letzte Siegel gebrochen wird, und das schwörst du bei deinem Blut.«
    »Im Wesentlichen«, wiederholte ich.
    »Bei deinem jungfräulichen Blut«, spezifizierte Arthur. »Du bestätigst, Jungfrau zu sein und zu bleiben, bis das letzte Siegel gebrochen ist.«
    »Und wann genau wird das der Fall sein? Ich meine, das mit dem letzten Siegel?«
    »Das wird der Gebieter der Nacht uns rechtzeitig wissen lassen.«
    Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe. »Geht’s vielleicht auch ein bisschen genauer? Ich möchte nicht wie meine Tante Gertrude enden.«
    Ich hätte schwören können, Henry kichern zu hören, aber als ich zu ihm hinsah, betrachtete er eingehend seine Hände.
    »Ich meine, nicht, dass ich es eilig hätte«, sagte ich schnell. »Ich will nur auf Nummer sicher gehen.«
    »Wir denken, dass das letzte Siegel an Halloween gebrochen wird«, antwortete Grayson an Arthurs Stelle. »An dem Tag, an dem alles begann …« Na wunderbar, jetzt fing er auch noch an, so geschwollen daherzureden. »Hör zu, Liv.« Er griff nach meinem Arm. »Wenn du den Eid leistest, verspricht du, dich an die Regeln zu halten und bis zum Ende mitzuspielen.«
    Ja doch, wollte ich sagen, aber seine Ernsthaftigkeit und sein Blick hielten mich zurück.
    »Ich möchte, dass du das wirklich verstehst.« Er schaute hinüber zu Arthur. »Arthur hat vergessen, dieses winzige Detail zu erwähnen, aber im Gegenzug zur Erfüllung

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