Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
Ernst bei der Sache war«, sagte ich. So richtig stimmte das nicht, aber es war mit Sicherheit eine kluge Idee, sich gut mit ihr zu stellen. Ich hoffte nur sehr, dass sie das Wort Lulila nicht noch einmal aussprechen würde, sonst konnte ich für nichts garantieren.
    »Schon gut.« Anabel deutete ein Lächeln an, aber sie sah angespannt aus. »Hör zu, wir haben vielleicht nicht viel Zeit. Ich weiß, dass du heute Abend den Eid geleistet hast.« Sie blickte sich kurz um. »Deswegen wollte ich dich treffen. Ich finde das … wirklich mutig von dir.«
    »Na ja …« Ich irgendwie auch.
    »Mutig und selbstlos! Deinetwegen kann nun doch noch alles ein gutes Ende nehmen! Solange du nicht dieselben Fehler machst wie ich. Komm, ich zeig dir was.«
    Ich spähte zu Henrys Tür hinüber.
    »Wohin gehen wir denn?«, fragte ich misstrauisch.
    »Es ist nicht weit.« Anabel war schon ein paar Schritte vorgelaufen. Ich folgte ihr ein Stück den Gang hinunter, um eine Ecke in einen weiteren Korridor bis zu einer doppelflügeligen Tür, die mit ihren mächtigen goldenen Beschlägen und dem gotischen Spitzbogen wie ein Kirchenportal anmutete. Rein äußerlich passte sie so gar nicht zu Anabel, bei der ich etwas Zarteres erwartet hätte. Aber sie drückte ganz selbstverständlich einen der Türflügel auf und drehte sich zu mir um. »Wo bleibst du denn?«
    »Ist das der Eingang zu deinen Träumen? Aber ich dachte … ich besitze doch gar keinen Gegenstand von dir.«
    »Den brauchst du auch nicht, wenn ich dich persönlich einlade und über die Schwelle bitte«, sagte Anabel.
    »Oh. Wie bei Vampiren?«
    Anabel runzelte verständnislos die Stirn. Offenbar kannte sie sich mit den Gepflogenheiten von Vampiren nicht so gut aus. Na gut, ihre Kernkompetenz waren eben Dämonen. »Komm! Das wird dich interessieren. Und dir helfen, ein paar Zusammenhänge zu begreifen.«
    Wenn das so war – nichts wollte ich lieber tun, als Zusammenhänge zu begreifen. Ich trat über die Schwelle in einen sonnenbeschienenen Garten: Bäume, Sträucher und bunte Rabatten umgaben eine große Rasenfläche, smaragdgrün, unkrautfrei und perfekt gestutzt, der typisch englische Rasen eben. Weiter hinten konnte ich ein Haus entdecken.
    Ein kleiner weißer Hund brach aus dem Gebüsch und schoss auf uns zu. Er hatte einen Ball im Maul und spuckte ihn erwartungsvoll vor Anabels Füße, bevor er schwanzwedelnd an ihr hochsprang.
    »Schon gut, Lancelot, du kleiner Racker!« Anabel zerzauste sein Fell und lachte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich sie bisher nur angespannt, gehetzt und ängstlich kannte. Das Lachen stand ihr gut. Sie nahm dem Hund den Ball aus dem Maul und schleuderte ihn in eine Blumenrabatte. Der Kleine überschlug sich fast vor Eifer, sein Spielzeug zu erwischen, ein wirbelndes Fellknäuel auf dem grünen Rasen.
    Ich schaute mich im Garten um. »Was wolltest du mir denn nun zeigen?«
    Das Strahlen in Anabels Gesicht erlosch. »Ihn.« Sie deutete auf Lancelot, der sich den Ball geschnappt hatte und in vollem Tempo auf uns zugerast kam. »Er war mein allerbester Freund. Aber jetzt – sieh selbst!«
    In diesem Moment stieß Lancelot ein Jaulen aus und brach mitten im Laufen zusammen. Zuckend blieb er auf dem Rasen liegen.
    »Oh Gott, was hat er denn?« Ich wollte zu ihm, aber Anabel packte meinen Arm und hielt mich daran fest.
    »Er stirbt.«
    »Was?«, fragte ich entsetzt.
    »Es ist meine Schuld. Er hat ihn mir genommen, verstehst du? Weil ich gegen die Spielregeln verstoßen habe. Ich zeige dir das, damit du nicht denselben Fehler machst.«
    Mit »er« war wohl der Dämon gemeint. In diesem Moment hätte ich nicht mal gelacht, wenn sie ihn bei diesem komischen Namen genannt hätte. »Aber was … wie kann er … warum …?«, stammelte ich hilflos, während der kleine Hund sich in Krämpfen auf dem Boden wand. Er zuckte noch ein paarmal, dann streckte er die Beine aus und rührte sich nicht mehr.
    »In Wirklichkeit hat es viel länger gedauert«, sagte Anabel dumpf. »Er lag zitternd vor der Zimmertür, als ich aufgewacht bin, er hatte schreckliche Schmerzen, und er hat die ganze Zeit in meinen Armen gelegen und mich angeschaut, als wollte er …« Ihre Stimme brach. »Der Tierarzt sagt, er sei innerlich verblutet.«
    »Das ist … es tut mir so leid«, flüsterte ich. »Aber ich verstehe nicht … Du glaubst, der Dämon hat deinen Hund getötet?«
    »Lancelot war mein Pfand.« Anabel wischte sich eine Träne von der Wange. »Das, was ich gegen meinen

Weitere Kostenlose Bücher