Das erste Buch der Traeume
und habe auf dich gewartet. Aber du bist nie gekommen.« Der Blick aus seinen grauen Augen war aufrichtig.
»Entschuldige«, sagte ich zerknirscht. »Und es tut mir auch leid, dass du auf mich gewartet hast. Mir ist das irgendwie alles zu viel geworden. Diese Träume verwirren einen doch nur. Man beginnt, an seinem gesunden Menschenverstand zu zweifeln. Und ich hasse es, wenn immer mehr und noch mehr Fragen aufgeworfen werden und es niemals Antworten darauf gibt.«
»Ach ja? Und was ist mit Psychologie und Wissenschaft ?«, fragte er spöttisch. »Hattest du nicht gesagt, die Träume lassen sich völlig rational erklären?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich hab gesagt, es handelt sich um noch unerforschte Gebiete der Psychologie. Und um ehrlich zu sein, sind es auch gar nicht die Träume, die mir solche Kopfschmerzen bereiten, ja, nicht mal die unheimlichen raschelnden Wesen in Korridoren.«
»Sondern?«
»Das, was tatsächlich passiert ist. Und das, was noch passieren wird.« Jetzt war ich an der Reihe zu seufzen. »Menschen, die ernsthaft an Dämonen glauben, bereiten mir Kopfschmerzen.«
»Du meinst Arthur?«
Ich nickte. »Du glaubst vielleicht nicht, dass er sich Tom Hollands Tod gewünscht hat, aber ich bin davon überzeugt, dass es so war. Er denkt, der Dämon habe Tom für ihn aus dem Weg geräumt. Und er macht mit diesem ganzen Beschwörungskram nicht weiter, weil er unsicher ist und Angst hat, er macht weiter, weil er den Dämon wirklich aus der Unterwelt befreien will. Er ist mit echter Leidenschaft bei der Sache, das musst du doch auch merken.«
In seinen Augen flackerte es. »Ich gebe zu, dass er sich verändert hat, seit wir dieses Spiel spielen. Und die Sache mit Anabel hat ihn wirklich mitgenommen. Aber er ist kein böser Mensch.«
Nein, vielleicht nicht böse, aber möglicherweise im Begriff, verrückt zu werden. »Anabel hat angedeutet, dass es gar nicht Tom Holland war, mit dem sie Arthur betrogen hat.« Ich zögerte, aber dann sprach ich es doch aus. Ich musste einfach auf Nummer sicher gehen. »Im Tittle-Tattle-Blog stand, dass du und Anabel euch gut verstanden habt, und wenn Tom es nicht war …«
Henrys Augenbrauen hoben sich. »Unterstellst du mir gerade, dass ich was mit Anabel hatte?« Fassungslosigkeit schwang in seiner Stimme mit. »Hältst du mich tatsächlich für jemanden, der etwas mit der Freundin seines Freundes anfängt?«
Tat ich das? Nein, nicht wirklich. Andererseits war Anabel unglaublich attraktiv, welcher Junge würde da nicht in Versuchung geraten? »Schon gut, schon gut«, lenkte ich ein. »Ich glaub dir ja. Aber du warst im selben Flieger wie wir, und da habe ich gedacht …« Okay, vielleicht sollte ich nicht immer so viel denken.
»Ich habe Anabel beim Umzug geholfen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe mir Sorgen um sie gemacht. Sie war ziemlich durcheinander seit dem Tod von Tom und nachdem das mit ihrem Hund passiert ist …«
Von irgendwoher erklang Kindergeschrei, zwei kleine Jungs mit einem Fußball jagten an uns vorbei und verschwanden hinter einer Baumgruppe. Ich schaute ihnen nach.
»Arthur ist dein Freund«, sagte ich. »Und du glaubst, du kennst ihn gut. Aber weißt du wirklich, was in ihm vorgeht? So selbstverständlich, wie er sich zum Oberdämonenbeschwörer ernannt hat – was glaubt er, was passiert, wenn das letzte Siegel gebrochen wird? Redet er mit euch darüber?«
»Ich … Arthur will doch auch nur, dass es endlich vorbei ist«, sagte Henry, aber ich bemerkte, dass er unsicher war.
Nachdenklich starrte er auf die Stadt hinunter. Plötzlich tat es mir leid, dass wir darüber geredet hatten. Wir hätten uns einfach weiter küssen sollen. Zaghaft streckte ich meine Hand aus und streichelte über sein Haar. Das hatte ich schon so lange mal tun wollen. Dafür, dass es so wild vom Kopf abstand, fühlte es sich ziemlich weich an.
Sofort drehte er sich wieder zu mir.
»Du hast ziemlich schöne Augen«, sagte ich leise.
Auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. »Und an dir ist so ziemlich alles schön«, erwiderte er, und ganz sicher hätte er mich geküsst, wenn in diesem Augenblick nicht Mia und Daisy Dawn vor uns gestanden hätten, wie aus dem Boden gewachsen.
»Wir wollen jetzt die Luftballons steigen lassen!«, sagte Daisy Dawn, und Mia machte: »Määääh!«
Auf dem Weg zurück schwiegen Henry und ich, aber ungefähr auf der Hälfte griff er entschlossen nach meiner Hand, und ein heftiges, vollkommen irrationales
Weitere Kostenlose Bücher