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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Glücksgefühl bemächtigte sich meiner. Das war wirklich der schönste Geburtstag aller Zeiten.
    Und ohne diese schwarzen Gedanken in meinem Kopf wäre er noch um ein Vielfaches schöner gewesen.
    Die Sonne stand schon ziemlich tief und hüllte alles in warmes, herbstlich-goldenes Licht ein, und ich musste wieder an den Berkeley-Traum denken. Und mir fiel ein, was Henry mir in dieser Nacht gesagt hatte: »Nirgendwo lernt man einen Menschen besser kennen als in seinen Träumen, und nirgendwo kann man mehr über seine Schwächen und Geheimnisse erfahren.«
    Plötzlich war glasklar, was ich als Nächstes tun musste. Es gab sehr wohl einen Weg herauszufinden, was in Arthur vorging. Dafür musste ich ihn nur erst mal beklauen.
    Und meine Traumabstinenz hiermit für beendet erklären.

28.
    Mist. Das war eine Sackgasse. Arthur hatte seine Tür mit einem vierstelligen Zahlencode gesichert, genau wie die Spinde in der Schule.
    Bis hierhin war alles reibungslos verlaufen. Es hatte zwar die halbe Woche gedauert, bis sich endlich eine Gelegenheit geboten hatte, Arthur einen persönlichen Gegenstand zu klauen, aber dann war das überraschend einfach gewesen: Ich hatte mir in der Bibliothek einen Bleistift von ihm geliehen und einfach »vergessen«, ihn wieder zurückzugeben. Kurz zuvor hatte er noch auf dem Stift herumgekaut, persönlicher ging es also gar nicht.
    Es war ein beinahe feierlicher Moment gewesen, als ich nach so vielen Tagen wieder durch meine grüne Tür in den Korridor getreten war, der still und friedlich dalag. Aber ich hatte mir vorgenommen, mich auch von raschelnden unsichtbaren Präsenzen nicht beirren zu lassen. Das war nur ein Traum, und ich hatte eine Mission. Und obwohl ich Arthurs Tür nicht kannte, hatte ich eine Ahnung, wo ich sie finden würde. Schließlich lag Henrys Tür auch direkt gegenüber von meiner.
    Die anderen Türen hatten wieder mal ihr Türchen-wechsel-dich-Spiel gespielt, trotzdem fand ich Anabels Tür ziemlich schnell in einem Nebengang. Gegenüber ihrem prunkvollen Gotik-Portal befand sich eine schlichte, glatte Metalltür, ganz schmucklos, bis auf die eingehämmerten Buchstaben in der Türmitte: CARPE NOCTEM.
    Sogar ihre Türen passten auf merkwürdige Art zusammen. Beide hatten etwas absolut Humorloses. Ich erinnerte mich mit Schaudern an das Traumzusammentreffen mit Arthur und Anabel und fragte mich wieder, ob ich das Richtige tat. Ich meine, die beiden waren wirklich sonderbar – wollte ich auch noch wissen, was so ein Typ wie Arthur träumte?
    Nun, vielleicht würde ich es auch nie erfahren. Denn ich kam sowieso nicht weiter, es war zum Verzweifeln. Vier blöde Zahlen! So was Phantasieloses aber auch. Ich hatte mit schwülstigen Rätseln gerechnet, vielleicht auch einem Türwächter mit einem Krummsäbel oder so, aber nicht mit einem so simplen Schloss. Am liebsten hätte ich vor Frust gegen die Wand getreten. Möglicherweise wäre man dem Metall mit einem Schneidbrenner beigekommen, aber ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, wie ein Schneidbrenner eigentlich aussah, also konnte ich ihn mir auch nicht herbeiträumen. Wahllos tippte ich irgendwelche Zahlenkombinationen ein, als jemand direkt hinter mir sagte: »Versuch es mit siebzehn null vier.«
    »Henry!« Ich wirbelte herum. »Spinnst du, mich so zu erschrecken?«
    »Ich freue mich auch, dich zu sehen.« Henry grinste mich an. »Siebzehn null vier«, wiederholte er. »Anabels Geburtstag. Beeil dich ein bisschen.« Er warf einen bedeutungsvollen Blick auf Anabels Tür hinter uns, und ich begriff, dass jetzt nicht die Zeit für eine romantische Begrüßung war, und wandte mich wieder dem Zahlenschloss zu.
    »Cooles Outfit, übrigens«, sagte Henry. »Eine elegante Mischung aus Catwoman und Ninja-Krieger.«
    Unter meiner schwarzen Katzenmaske errötete ich. Um ehrlich zu sein, hatte ich zuerst versucht, mich in einen Lufthauch zu verwandeln, das hier war nur die nächstbeste Alternative gewesen. Für einen Lufthauch war ich definitiv noch nicht fortgeschritten genug. Aber in dieser Verkleidung würde Arthur mich wenigstens nicht sofort erkennen, wenn ich in seinem Traum auftauchte.
    Das Schloss klackte. Siebzehn null vier entpuppte sich tatsächlich als die richtige Kombination.
    Vorsichtig schob ich die Tür auf, aber ich zögerte, über die Schwelle zu treten.
    »Was hast du Arthur geklaut?«, fragte ich, nahm meine Maske ab und ließ sie auf den Boden fallen. Sie kam mir plötzlich unendlich albern vor. Außerdem hatte ich ja

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