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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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jetzt Gesellschaft bekommen.
    »Gar nichts«, sagte Henry. »Wir haben gegenseitig unser Blut getrunken, schon vergessen? Das ist sehr viel persönlicher als ein Gegenstand.«
    »Oh.« Dann wäre mein Diebstahl gar nicht nötig gewesen. Und ich hatte mir schon Gedanken gemacht, was passieren würde, wenn ich im Schlaf den Bleistift loslassen würde, den ich beim Einschlafen fest umklammert hatte. Ich war kurz davor gewesen, ihn zur Sicherheit mit Klebeband zu fixieren.
    Ich zögerte immer noch.
    »Komm schon.« Henry trat neben mich und drückte die Tür weiter auf. »Jetzt ziehen wir das auch durch.« Er griff nach meiner Hand, und gemeinsam traten wir über die Schwelle.
    Im nächsten Moment standen wir inmitten einer weiten, wüstenähnlichen Landschaft, in einem breiten Graben, der wie ein Flussbett aussah, das schon lange kein Wasser mehr geführt hatte. Die Erde war rötlich, staubig und trocken, überall lagen Gesteinsbrocken und Geröll herum, am Rand des Flussbetts wuchsen ein paar dürre Büsche und Bäume und riesige Kakteen. In der Ferne konnte man die Silhouette von Bergen erkennen.
    »Träumt Arthur gerade einen Western?«, fragte ich und kletterte über einen Felsbrocken auf den Uferrand zu. Obwohl weit und breit niemand zu sehen war, flüsterte ich.
    »Keine Ahnung«, flüsterte Henry zurück, während er sich nach allen Seiten umsah.
    »Hier gibt es garantiert Klapperschlangen.« Ich überlegte, ob ich mir robuste Stiefel imaginieren sollte. Die hatte ich bei meinem Catwoman-Outfit vergessen. In diesem Augenblick hörten wir ein merkwürdiges Donnern, ein lautes Brausen, das die Luft erfüllte und näher kam. Der Fels unter meinen Füßen bebte.
    »Komm«, stieß Henry hervor, packte meine Hand und zerrte mich über die Steine weiter zum Uferrand, während das Brausen und Donnern lauter und lauter wurde. Scheiße! Arthur musste von einem verdammten Erdbeben träumen oder einem unterirdischen Atomversuch oder …
    »Flussbettfeger!«, brüllte Henry. Das Donnern war jetzt ganz nah, und mit einem Mal sah ich es: Eine riesige Flutwelle brandete auf uns zu, eine Wasserwand von mindestens zwei Metern Höhe, vor der es kein Entkommen gab. Die Wassermassen rissen alles mit, was im Weg lag, Äste, Steine und in einer halben Sekunde auch Henry und mich. Wir würden jämmerlich ertrinken, für diese Erkenntnis reichte die halbe Sekunde gerade noch aus.
    Aber anstatt von den gewaltigen Wassermassen erfasst zu werden, hob sich der Felsbrocken unter unseren Füßen und wuchs blitzschnell mehrere Meter in die Höhe, wie ein Pilz aus Stein. Ich hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten, und klammerte mich an Henrys Hand fest. Das Wasser schoss an uns vorbei und wirbelte das Flussbett hinab, während wir nicht mal nasse Füße bekamen.
    »Was …?« Mein Herz raste. Der Fels, auf dem wir standen, veränderte wieder die Form, er wuchs jetzt in die Breite und bildete eine Brücke zum Ufer, über die Henry mich zog, während das Wasserrauschen unter uns langsam leiser wurde. Das Ganze hatte nur wenige Sekunden gedauert. Als wir am Ufer anlangten, klatschte jemand Beifall.
    Es war Arthur.
    »Nicht schlecht«, sagte er. Er stand reglos neben einem verdorrten Baum und hatte noch nie schöner ausgesehen. »Du wirst immer besser, Henry.«
    Henry erwiderte nichts, während ich versuchte, Puls und Atmung zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Entschuldige die rüde Begrüßung, Liv.« Arthur verzog den Mund zu einem Lächeln, das seine Augen aber nicht erreichte. »Normalerweise pflege ich meine Besucher nicht zu ertränken. Nur die ungebetenen.«
    Okay. Unser Plan, ihn zu überraschen, war wohl gescheitert.
    »Ich frage mich, warum mein bester Freund versucht, sich heimlich in meinen Traum zu schleichen.« Arthur machte einen Schritt auf uns zu und fixierte Henry mit durchdringendem Blick. »Würdest du mir das bitte erklären, Henry?«
    »Ich wollte nur ein paar Antworten«, sagte Henry ruhig.
    Arthur schüttelte den Kopf. »Was hast du geglaubt, hier zu erfahren, dass du mich nicht einfach hättest fragen können?« Er klang verletzt.
    »Ach, komm schon, Arthur! Wann hast du das letzte Mal offen mit mir geredet?« Henry schwieg einen kleinen Moment, dann setzte er leise hinzu: »Ich mache mir Sorgen um dich.«
    Arthur gab ein verächtliches Schnauben von sich. »Sei nicht so verdammt selbstgerecht, Henry! Ausgerechnet du! Oh ja! Ich weiß, was du nachts tust, glaub nicht, dass mir das entgeht. Gerade eben hast

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