Das erste Gesetz der Magie - 1
nicht auch einen Knochen bekommen, der mich vor den Monstern schützt?«
Adie betrachtete sein Gesicht, senkte dann den Blick auf seine Brust. Langsam streckte sie die Hand aus. Tastend reckten sich ihre Finger vor, berührten sein Hemd und den Zahn darunter. Dann zog sie die Hand zurück und sah ihm erneut in die Augen. Etwas hatte ihr verraten, daß sich dort der Zahn befand. Ihm stockte der Atem.
»Du brauchst keinen Knochen, Kernländer. Die Monster können dich nicht sehen.«
Sein Vater hatte ihm erzählt, das Buch sei von einem bösen Monster bewacht worden. Jetzt erkannte er, daß der Zahn der Grund dafür gewesen war, daß die Monster der Grenze ihn nicht wie die anderen hatten finden können. Ohne den Zahn wäre er niedergeschlagen worden wie Zedd und Chase, und Kahlan befände sich jetzt in der Unterwelt. Richard versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Adie schien den Wink zu verstehen und sagte nichts. Kahlan schien verwirrt, stellte jedoch keine Fragen.
»Schlaft jetzt«, meinte Adie.
Kahlan schlug Adies Angebot aus, in ihrem Bett zu schlafen. Sie und Richard rollten ihre Decken neben dem Feuer aus, und Adie zog sich in ihr Zimmer zurück. Richard legte noch einige Scheite nach und mußte daran denken, wie gerne Kahlan vor einem Feuer saß. Er setzte sich noch ein paar Minuten zu Zedd und Chase, strich dem Alten über das weiße Haar und lauschte auf seinen Atem. Er ließ seine Freunde nur äußerst ungern zurück. Was vor ihm lag, machte ihm angst. Gerne hätte Richard Zedds Plan gekannt.
Kahlan saß im Schneidersitz auf dem Boden vor dem Feuer und beobachtete ihn. Als er zu seiner Decke zurückkehrte, legte sie sich auf den Rücken und zog die Decke bis zur Hüfte hoch. Im Haus war es still und wohl auch sicher. Draußen fiel immer noch Regen. Die Nähe des Feuers war angenehm. Er war müde. Richard drehte sich zu Kahlan um, stützte den Ellenbogen auf den Boden und den Kopf in die Hand. Sie starrte an die Decke und drehte den Knochen an der Halskette zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Richard«, flüsterte sie, ohne den Blick von der Decke zu nehmen. »Tut mir leid, daß wir die beiden zurücklassen müssen.«
»Ich weiß«, antwortete er flüsternd. »Mir auch.«
»Hoffentlich meinst du nicht, ich hätte dich dazu gezwungen, als ich das im Sumpf gesagt habe.«
»Nein. Die Entscheidung war richtig. Der Winter rückt mit jedem Tag näher. Es nützt uns nichts, wenn wir bei ihnen warten, und Darken Rahl die Kästchen in die Finger bekommt. Dann sind wir alle tot. Wahrheit bleibt Wahrheit. Ich kann dir nicht böse sein, nur weil du sie ausgesprochen hast.«
Er lauschte auf das Knacken und Zischen des Feuers und beobachtete ihr Gesicht und das Haar, das sich auf dem Boden ausbreitete. Eine Ader in ihrem Hals zeigte ihm ihren Herzschlag. Sie hatte den schönsten Hals, den er je bei einer Frau gesehen hatte. Manchmal sah sie so schön aus, daß er es kaum ertragen konnte, sie anzusehen, und doch konnte er gleichzeitig den Blick nicht von ihr abwenden. Sie hielt noch immer die Halskette zwischen den Fingern.
»Kahlan?« Sie drehte sich um und sah ihm in die Augen. »Was hast du gesagt, als Adie meinte, die Kette würde dich und eines Tages auch dein Kind beschützen?«
Sie sah ihn lange an. »Ich habe mich bedankt. Aber ich habe ihr auch gesagt, daß ich nicht glaube, lange genug zu leben, um ein Kind zu haben.«
Richard spürte, wie er eine Gänsehaut bekam. »Wieso?«
Ihre Augen huschten über verschiedene Stellen seines Gesichtes.
»Richard«, fuhr sie ruhig fort, »in meiner Heimat ist der Wahnsinn ausgebrochen, ein Wahnsinn, wie du ihn dir nicht vorstellen kannst. Ich bin allein. Die anderen sind so viele. Ich habe gesehen, wie Bessere als ich sich dagegen gewehrt haben. Man hat sie hingemetzelt. Damit will ich nicht sagen, wir werden scheitern. Ich glaube nur, ich werde kaum lange genug leben, um es zu erfahren.«
Auch wenn sie es nicht offen aussprach, Richard wußte, daß sie überzeugt war, es nicht mehr zu erleben. Sie wollte ihm keine Angst einjagen, aber sie war überzeugt, auch er würde dabei sterben. Deswegen hatte sie nicht gewollt, daß Zedd ihm das Schwert der Wahrheit gab und ihn zum Sucher ernannte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Sie war überzeugt, sie beide in den Tod zu führen. Vielleicht hatte sie recht. Schließlich kannte sie ihre Gegner besser als er. Sie mußte entsetzliche Angst haben, in die Midlands zurückzukehren. Dennoch, es gab kein Versteck. Das
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