Das erste Gesetz der Magie - 1
Gnade eines schnellen Todes.« Ihre Gesichter welkten unter seinem Blick dahin.
Kahlan hörte, wie Frauen ihre Kinder um sich scharten und leise zu weinen begannen. Die Ältesten, gepackt von einem ungeahnten Entsetzen, rührten sich nicht. Endlich wichen sie Richards wütendem Blick aus. Als allen klar war, daß sie nicht den Mut hatten, das Schwert zu nehmen, ließ Richard es in aller Ruhe zurück in die Scheide gleiten, so als wolle er damit langsam ihre letzte Hoffnung auf Erlösung zunichte machen – eine unmißverständliche Geste: Sie hatten auf ewig die Hilfe des Suchers eingebüßt. Die Endgültigkeit war erschreckend. Dann endlich ließ er wütenden Blicks von ihnen ab und drehte sich zu Kahlan um. Sein Ausdruck änderte sich. Als sie den Blick in seinen Augen sah, mußte sie schlucken. Es war der schmerzliche Blick eines Mannes, der gekommen war, einem Volk zu helfen, es aber nicht konnte. Er ging zu ihr hin und nahm sie zärtlich beim Arm.
»Packen wir unsere Sachen zusammen und brechen wir auf«, sagte er leise. »Wir haben eine Menge Zeit vergeudet. Ich hoffe nur, es war nicht zuviel.« Seine grauen Augen wurden feucht. »Tut mir leid, Kahlan … weil ich mich falsch entschieden habe.«
»Du hast dich nicht falsch entschieden, Richard, sondern sie.« Auch ihre Wut auf die Ältesten hatte etwas Endgültiges, so als schlage sie diesen Menschen die Tür vor der Nase zu. Sie zog einen Schlußstrich unter ihr Mitgefühl für diese Menschen. Es waren lebende Tote. Man hatte ihnen eine Chance geboten, und sie hatten ihr Schicksal selbst gewählt.
Als sie an Savidlin vorbeikamen, hakten die beiden Männer kurz die Arme ineinander, ohne sich anzusehen. Sonst machte niemand Anstalten zu gehen. Alles blieb und sah zu, wie die beiden Fremden rasch zwischen ihnen hindurchgingen. Einige streckten im Vorübergehen die Hände aus und berührten Richard. Er erwiderte ihr wortloses Mitgefühl durch ein kurzes Drücken ihrer Arme. Ihnen in die Augen sehen konnte er nicht.
Sie holten ihre Sachen aus Savidlins Haus, stopften ihre Umhänge in ihre Taschen. Niemand sagte ein Wort. Kahlan fühlte sich leer, ausgehöhlt. Als sich endlich ihre Blicke trafen, fielen sie sich plötzlich wortlos in die Arme, Ausdruck ihrer gemeinsamen Sorge um ihre neuen Freunde, darüber, was ihnen mit Sicherheit zustoßen würde. Sie hatten das einzige aufs Spiel gesetzt, was sie hatten – Zeit – und verloren.
Nachdem sie sich wieder getrennt hatten, packte Kahlan ihre letzten Sachen in die Tasche und schloß die Lasche. Richard zerrte seinen Umhang wieder heraus. Sie sah zu, wie er seine Hand hineinsteckte und herumsuchte. Sein Suchen hatte etwas Dringliches. Er trat wegen des Lichts an die Tür und sah hinein, wühlte hektisch in den Gegenständen herum. Er senkte den Arm, der die Tasche hielt, hob den Kopf und machte ein besorgtes Gesicht.
»Der Stein der Nacht ist verschwunden.«
Die Art, wie er es sagte, machte ihr angst. »Vielleicht hast du ihn irgendwo draußen gelassen…«
»Nein. Ich habe ihn gar nicht aus der Tasche genommen. Kein einziges Mal.«
Kahlan verstand nicht, warum er deswegen so nervös wurde. »Wir brauchen ihn doch jetzt nicht mehr, Richard. Wir haben den Paß hinter uns. Ich bin sicher, Adie wird dir verzeihen, daß du ihn verloren hast. Wir haben jetzt wichtigere Sorgen.«
Er kam einen Schritt näher. »Du verstehst nicht. Wir müssen ihn finden.«
»Warum?« Sie legte die Stirn in Falten.
»Weil ich glaube, dieses Ding kann die Toten wecken.« Ihr Unterkiefer klappte herunter. »Kahlan, ich habe darüber nachgedacht. Weißt du noch, wie nervös Adie war, als sie ihn uns gegeben hat? Wie sie sich immer umgeschaut hat, bis ich ihn weggesteckt hatte? Und wann haben uns die Schatten im Paß angegriffen? Nachdem ich ihn herausgeholt hatte. Erinnerst du dich?«
Sie machte große Augen. »Aber sie meinte doch, selbst wenn jemand anderes ihn benutzt, hilft er nur dir.«
»Da meinte sie das Licht. Das Wecken der Toten hat sie nicht erwähnt. Ich kann nicht glauben, daß Adie uns nicht gewarnt hat.«
Kahlan sah zur Seite und dachte nach. Sie schloß die Augen, als sie die Erkenntnis wie eine Woge überkam. »Doch, hat sie, Richard. Sie hat dich mit einem Hexenrätsel gewarnt. So machen Hexen das. Sie sagen nicht einfach, was sie wissen. Manchmal wird sogar eine Warnung in einem Rätsel verpackt.«
Kahlan sah, wie wütend Richard war. Er ging zur Tür und sah hinaus. »Nicht zu fassen. Die Welt wird ins
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