Das erste Gesetz der Magie - 1
das Allgemeinwohl und nicht für die Ziele einzelner kämpfen.«
Die Königin runzelte die Stirn. »Bitte teile all diesen unwissenden Lords und Ladies mit«, mit einer Handbewegung erfaßte sie den ganzen Raum, »wie es kommt, daß du klüger bist als sie, und weshalb dir gestattet sei, nur für dich selbst zu arbeiten, statt für deine Mitmenschen.«
Das Gesicht des Mannes hatte einen irren Ausdruck angenommen. Rachel wünschte, sie könnte es ändern, bevor er Arger bekam.
»Das Allgemeinwohl«, fuhr er mit derselben Geste fort wie die Königin, nur daß seine Hände in Ketten lagen, »das nennt ihr das Allgemeinwohl? Ihr feinen Leute laßt es euch schmecken, ihr erfreut euch des warmen Feuers. Meine Kinder werden heute hungrig zu Bett gehen, weil uns der größte Teil unserer Ernte zum Wohle der Allgemeinheit genommen wurde, zum Wohle jener, die beschlossen haben, nicht zu arbeiten und statt dessen die Früchte meiner Arbeit zu verzehren.«
Alle lachten. »Und ihnen willst du die Nahrung vorenthalten, nur weil ihr Glück habt und eure Ernten besser geworden sind?« fragte die Königin. »Du denkst nur an dich selbst.«
»Ihre Ernten würden besser werden, wenn sie zuerst säen würden.«
»Und du hegst so wenig Mitgefühl für deine Mitmenschen, daß du sie deshalb zum Hungern verdammst?«
»Meine Familie verhungert! Weil sie andere ernähren muß, Darken Rahls Armee, Euch feine Herrschaften, die nichts anderes tun, als darüber zu reden, was sie mit meiner Ernte anfangen sollen, wie sie die Früchte meiner Arbeit an andere verteilen sollen.«
Rachel wünschte, der Mann würde den Mund halten. Er redete sich um Kopf und Kragen. Die Leute und die Königin schienen ihn jedoch komisch zu finden.
»Und meine Familie friert«, sagte er, wobei sein Gesicht noch wütender wurde, »weil wir kein Feuer haben dürfen.« Er zeigte auf einige der Kamine. »Hier jedoch gibt es Feuer, das all jene wärmt, die mir einreden, wir seien jetzt alle gleich, und niemand würde mehr dem anderen vorgezogen. Deshalb darf ich nichts mehr für mich behalten, was mir gehört. Ist das nicht seltsam, daß dieselben Leute, die mir einreden, wir seien im Bündnis mit Darken Rahl alle gleich – und doch nichts anderes tun, als die Früchte meiner Arbeit unter sich aufzuteilen –, alle wohlgenährt sind, es warm haben und feine Kleider tragen? Und meine Familie friert und hungert!«
Alle lachten. Rachel nicht. Sie wußte, was es hieß, zu frieren und zu hungern.
»Lords und Ladies«, die Königin kicherte, »hatte ich euch nicht königliches Amüsement versprochen? Der Trank der Erleuchtung ermöglicht es uns zu erkennen, welch selbstsüchtiger Narr dieser Mann in Wahrheit ist. Stellt euch nur vor, er glaubt, es sei in Ordnung, am Hunger anderer zu gewinnen. Er will seinen Nutzen über das Leben seiner Mitmenschen stellen. Aus Gier würde er die Hungernden ermorden.«
Alle lachten mit der Königin.
Die Königin schlug mit der Hand auf den Tisch. Teller hüpften und einige Gläser stürzten um, so daß sich rote Flecken auf der weißen Tischdecke ausbreiteten. Alle verstummten, nur der kleine Köter blaffte den Mann an. »Genau dieser Art von Gier wird mit Hilfe der Volksarmee des Friedens ein Ende bereitet werden, sobald sie einrückt, um uns von den Blutsaugern zu befreien, die uns allen das Blut aus den Adern saugen!« Das feiste Gesicht war so rot wie die Flecken auf dem Tischtuch.
Alle johlten und applaudierten lange. Die Königin lehnte sich zurück. Schließlich lächelte sie.
Das Gesicht des Mannes war so gerötet wie ihres. »Es ist doch seltsam. Jetzt, da alle Höfe und die Arbeiter in der Stadt für das Allgemeinwohl arbeiten, gibt es weder genügend Waren wie früher noch genug zu essen.«
Die Königin sprang auf. »Natürlich nicht!« kreischte sie. »Wegen dieses gierigen Packs wie dir!« Sie mußte ein paarmal tief durchatmen, bis ihr Gesicht nicht mehr ganz so rot war, dann wandte sie sich an die Prinzessin. »Violet, Liebes, früher oder später mußt du die Staatsgeschäfte lernen. Du mußt lernen, wie man dem Allgemeinwohl des ganzen Volkes dient, also werde ich diese Angelegenheit in deine Hände legen, damit du Erfahrungen sammeln kannst. Was würdest du mit diesem Verräter an seinen Mitbürgern machen? Entscheide du, Liebes, und es wird geschehen.«
Prinzessin Violet stand auf. Lächelnd sah sie sich um.
»Mein Urteil«, sagte sie, beugte sich ein wenig vor, über den Tisch und betrachtete den großen
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