Das erste Gesetz der Magie - 1
Was ist denn, mein Kleiner?«
Der Köter knurrte und bellte einmal kurz. Giller trat ein Stück zurück und drückte Rachel an die Wand. Das Mädchen versuchte, an Sara zu denken, und wünschte sich, sie wäre in diesem Augenblick bei ihr.
»Was gibt’s, mein Süßer? Was riechst du da?«
»Ich fürchte, Majestät, ich habe mich auch in den Ställen herumgetrieben. Sicherlich riecht Euer Hund das.« Gillers Hand fuhr dicht neben ihrem Kopf unter den Umhang.
»In den Ställen?« Die Fiesheit war noch nicht ganz aus ihrer Stimme gewichen. »Was in aller Welt könnte dich in die Ställe geführt haben?« Rachel hörte, wie ihre Stimme lauter wurde. Die Königin hatte sich vorgebeugt, um ihren Hund aufzuheben. »Was machst du da, Schatz? Was soll das?«
Rachel nuckelte am Saum ihres Kleides, um sich nicht durch ihr Zittern zu verraten. Giller nahm die Hand aus dem Umhang. Rachel sah, daß er irgend etwas zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Der Köter schob seinen Kopf unter den Umhang und begann zu kläffen. Giller öffnete die Finger, und glitzernder Staub rieselte auf den Kopf des Hundes. Der Hund fing an zu niesen. Dann sah Rachel, wie die Hand der Königin ihn fortzog.
»Na, na, mein kleiner Schatz. Wird ja alles wieder gut. Armes, kleines Ding.« Rachel hörte, wie sie die Schnauze des Köters küßte, ständig tat sie das. Schließlich fing auch sie an zu niesen. »Wie sagtest du gerade, Giller? Was hat ein Zauberer in den Ställen zu suchen?«
»Wie ich gerade sagte, Majestät.« Auch Gillers Stimme konnte ganz schön gemein klingen, doch der der Königin gegenüber fand Rachel sie fast komisch. »Angenommen, Ihr wärt ein Mörder und wolltet Euch in das Schloß einer Königin schleichen, um ihr einen dicken, fetten Pfeil in den Wanst zu jagen, was meint Ihr, würdet Ihr einfach am hellichten Tag durch das Haupttor spaziert kommen? Oder würdet Ihr mit Eurem Langbogen eher auf einem Karren fahren, versteckt vielleicht unter einem Heuhaufen oder ein paar Säcken? Um Euch dann nachts aus den Ställen zu schleichen?«
»Nun … ich … na ja, meinst du es gibt … hast du irgendwas gefunden?«
»Aber da Ihr nicht wollt, daß ich in den Ställen herumschleiche , werde ich das wohl auch von meiner Liste streichen! Wenn Ihr nichts dagegen habt, möchte ich dann aber von jetzt an in der Öffentlichkeit in deutlicher Entfernung von Euch stehen. Ich möchte nicht im Weg sein, wenn irgendwelche Untertanen aus der Ferne ihre Liebe zur Königin bezeugen wollen.«
»Zauberer Giller« – jetzt wurde ihre Stimme richtig nett, ganz so, als spräche sie zu ihrem Hund – »bitte verzeih. Ich war in letzter Zeit ein wenig gereizt, schließlich trifft Vater Rahl schon bald ein. Ich möchte nur, daß alles bestens läuft, dann werden wir alles erreichen, was wir wollen. Ich weiß, dir liegt nur mein Wohlergehen am Herzen. Bitte laß dich dabei nicht stören und vergiß die vorübergehende Torheit einer Dame.«
»Wie Ihr wünscht, Majestät.« Er verbeugte sich.
Die Königin eilte niesend weiter, den Flur entlang. Doch dann hörte Rachel, wie ihr trampelnder Schritt und kurz darauf das Klirren der Rüstungen abrupt verstummte.
»Übrigens, Zauberer Giller«, rief sie zurück. »Habe ich dir das schon gesagt? Ein Bote war hier. Vater Rahl wird früher kommen als erwartet. Viel früher. Und zwar schon morgen. Natürlich erwartet er das Kästchen, um das Bündnis zu besiegeln. Bitte kümmere dich darum.«
Gillers Bein zuckte so stark, daß er Rachel fast umgestoßen hätte. »Selbstverständlich, Majestät.« Er verbeugte sich ein zweites Mal.
Giller wartete, bis die Königin verschwunden war, dann packte er Rachel mit seinen großen Händen und klemmte sie sich unter den Arm. Seine Wangen waren nicht rot wie sonst, sondern blaß. Er legte ihr einen Finger auf die Lippen, und sie wußte sofort, daß sie still sein mußte. Wieder sah er sich verstohlen in dem Flur um.
»Morgen!« murmelte er vor sich hin. »Verflucht seien die Seelen. Ich bin noch nicht soweit.«
»Was ist denn, Giller?«
»Rachel«, flüsterte er und schob ihr die dicke Hakennase ganz dicht vors Gesicht. »Befindet sich die Prinzessin im Augenblick in ihrem Zimmer?«
»Nein«, antwortete Rachel flüsternd. »Sie ist ausgegangen, um einen Stoff für ein neues Kleid auszusuchen. Für Vater Rahls Besuch.«
»Weißt du, wo die Prinzessin ihren Schlüssel für die Juwelenkammer aufbewahrt?«
»Ja. Wenn sie ihn nicht bei sich hat, bewahrt sie ihn im
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